Das Wort zum Tag

Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein,
sanft falle Regen auf deine Felder, und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.
Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand; 
und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.

Viele Menschen fühlen sich von irischen Segensworten berührt und gestärkt. Der obige Liedvers ist ein gutes Beispiel dafür. Er kam mir in den letzten Tagen in den Sinn, als ich mich, geschützt mit Regenhose und wasserfesten Schuhen, zu einem Besuch aufmachte. Hieß es nicht so auch in Goethes Erlkönig? („Wer radelt so spät durch Sturm und Regen? Es ist der Pfarrer, er kommt mit Segen“ – oder zumindest so ähnlich.)

Den nasskalten Mai haben allerdings die wenigsten Menschen als Segen empfunden. Regen ist willkommen, wenn er des Nachts sanft auf die Felder fällt. Am Tage jedoch möge einem die Sonne das Gesicht wärmen. Und am Wochenende wünscht man sich „eitel Freude und Sonnenschein“. Regenwetter hingegen geht auf‘s Gemüt und gehört nicht zu den Dingen, die einem in Corona-Zeiten gut tun (abgesehen davon, dass bei Regen die Naherholungsziele nicht überfüllt sind). Gefühlt bevorzuge auch ich eindeutig wärmere Sonnentage. Das irische Segenslied nennt aber bewusst auch den Regen, und ich möchte mich damit trösten, wenn das Wetter schlecht ist. 

Aber wieso eigentlich ist Regenwetter „schlechtes“ und Sonnenschein „schönes“ Wetter? Die Sprache verrät uns und zeigt, dass wir  Menschen mitunter zu kurz und zu egoistisch denken.

In früheren Zeiten mag der Sprachgebrauch treffend gewesen sein, befinden wir uns in Deutschland doch in gemäßigten Breitengraden mit eher kühleren Temperaturen. Inzwischen ist der Klimawandel aber auch bei uns angekommen. Die Fichtenwälder sterben, weil es über Jahre für die Bäume zu trocken war und sie deshalb nicht genügend Harz zur Abwehr der Birkenkäfer entwickeln konnten. Selbst am Ende dieses sehr kühlen und feuchten Monats Mai zeigt die geologische Flächenkarte von Deutschland (mit den Feuchtigkeitswerten der Böden in 1,5 Meter Tiefe), dass insbesondere die östlichen und die südlichen Bundesländer nach wie vor sehr unter einer Dürre leiden. Selbst die Böden hier im Westen haben noch lange nicht genügend Regen erhalten. 

Ich bin froh, durch das irische Segenslied daran erinnert zu werden, nicht kurzsichtig zu denken, sondern mit Weite und Aufmerksamkeit, und deshalb dankbar und froh zu sein auch für Regen  – und in übertragenem Sinne auch für manch andere Dinge, die auf den ersten Blick nicht so willkommen erscheinen. 

In wirklich heißen Ländern der Erde, etwas in Botswana, wissen die Menschen um den Segen des Regens und geben dies auch sprachlich wieder. Bei Feierlichkeiten rufen sie einander als Glückwunsch freudig „Pula“ zu – in dem Sinne von „Segen“ und „alles Gute für dein Leben“. Im Alltag ist „Pula“ zugleich das Wort für Regen. 

Ich wünsche Ihnen heute Segen: all das, was Ihnen und dem Leben nachhaltig gut tut!

Ihr/Euer
Achim Dreessen

Seht, wie der Bauer auf die kostbare Frucht der Erde wartet:
Er wartet geduldig, bis der Frühregen und der Spätregen gefallen ist.
So seid auch ihr geduldig und stärkt eurer Herzen.

Jakobus 5,7b-8a