Gedanken zur Fußballweltmeisterschaft

Die Fußballweltmeisterschaft hat begonnen. Heute hat die deutsche Fußballnationalmannschaft ihr erstes Spiel. Über Monate hinweg wurde die Entscheidung der FIFA, die Weltmeisterschaft in Qatar auszutragen, heftig kritisiert. Dabei wurden u.a. die Ausbeutung der vielen Arbeiterinnen und Arbeiter in den Blick genommen und den ökologischen Unsinn, mitten in der Wüste klimatisierte Stadien zu bauen.

Jetzt ist noch ein weiterer Eklat dazu gekommen. Die FIFA hat den Kapitänen der Nationalmannschaften verboten, eine Armbinde zu tragen mit der Aufschrift ONE LOVE: ein Bekenntnis zu der einen Liebe, die Mann und Frau, Mann und Mann und Frau und Frau miteinander verbinden. Es scheint so, als ob der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Manuel Neuer, heute beim ersten Spiel seiner Mannschaft auf das Tragen dieser Binde verzichtet. Er hätte sonst eine Sperre bei weiteren Spielen zu erwarten gehabt.

Entlarvt wird dieses Verhalten durch das Schweigen der iranischen Spieler beim Erklingen ihrer Nationalhymne. Sie haben damit die Solidarität mit den Demonstrationen für Freiheit und Menschenwürde in ihrem Heimatland ausgedrückt. Was diese mutigen Männer zuhause zu erwarten haben, bleibt offen.

Es ist mir zu einfach, mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf unsere Fußballverbände und Nationalmannschaften zu zeigen. Denn wie sagt man so schön? Wenn ich mit dem Zeigefinger auf andere zeige, zeigen drei Finger auf mich.

Wie oft knicken wir ein? Wie oft zeigen wir nicht Flagge gegen beschämendes Stammtischgerede? Wie oft ziehen wir uns zurück, wenn Flüchtlinge in unserer Stadt verbale oder strukturelle Ablehnung erfahren? Sind wir wirklich besser als unsere Fußballspieler, die sich auf ihren Sport konzentrieren und alles andere ausblenden?

Das können Sie nur für sich selber beurteilen.

Ich selber bekenne mich schuldig, oft nicht wirklich mutig genug zu sein.

Aber die Bibel fordert mich heraus. Gott fordert mich heraus. Denn Gott ist für mich tatsächlich ONE LOVE. Gott unterscheidet nicht in seiner Liebe. Er liebt alle Menschen gleich. Die, die sich zu ihm halten, und die, die ihm den Rücken zukehren. Die, die Macht haben, und die, die unter der Macht leiden. Die, die in einer Hetero-Beziehung leben und die, die einen gleichgeschlechtlichen Partner haben. Aber: dieser Gott der Liebe erwartet von uns allen, dass auch wir versuchen einander zu lieben. Das ist mein Gebot, sagt Gott, dass ihr euch untereinander liebt wie ich euch geliebt habe. Und bei dieser Liebe geht es um Respekt, Anerkennung, Menschenwürde und Gerechtigkeit. All das, was der Fußballweltmeisterschaft möglicherweise fehlt und was auch wir so oft aus dem Blick verlieren. ONE LOVE.

Hartmut Görler