Das Wort zur Wochenmitte

Friedhof von Rettungswesten 

Liebe Leser*innen, 

bei mir hat sich kürzlich ein Bild eingebrannt, ein Bild, das mich beschäftigt und bewegt. Ein Bild, das mir seitdem wie ein schwerer Stein auf der Brust liegt, mich zutiefst traurig und auch wütend macht. Es ist ein Bild vom „Friedhof der Rettungswesten“ auf der griechischen Insel Lesbos. 

Foto: Adobe Stock – Rg. Martinez

Auf dem Bild sieht man tausende von Rettungswesten, die aufeinander gestapelt einen riesigen Müllhaufen bilden. Ihr grelles Orange wirkt fremd und befremdlich in der ansonsten so malerischen Landschaft. Hinter jeder Weste steht eine Geschichte. Ich habe oft in Statistiken gelesen, wie viele Menschen über das Mittelmehr nach Europa geflohen sind, aber mehr als jede Statistik hat mir dieses Bild die harte Realität vor Augen geführt, hat sich in mein Herz eingebrannt. Jede Weste steht für ein Leben, einen Menschen, der geflohen ist, der sich in große Gefahr begeben hat, weil er sich Sicherheit und einen Neuanfang erhofft hat. Ich frage mich was aus all den Trägern dieser Rettungswesten geworden ist: In welchem Land sind sie jetzt, haben sie ein Zuhause gefunden, oder warten sie in irgendwelchen Flüchtlingsunterkünften darauf wie es weiter geht? Einige von ihnen haben bestimmt irgendwo Asyl gefunden, andere wurden wieder abgeschoben. 

Viele von diesen Westen sind sogar nicht einmal richtige Rettungswesten, sondern Blindgänger, die sich beim Kontakt mit Wasser vollsaugen. Da machen Menschen auch noch finanziellen Gewinn, indem sie Menschleben auf Spiel setzen. Ohne Worte.

Der Berg von Westen ist gigantisch, 80.000 bis 100.000 laut Schätzungen – und das sind nur die, die noch nicht verbrannt wurden. Ich weiß: Die Westen, die auf diesem riesigen Friedhof zu sehen sind, stehen nur für die Menschen, die es geschafft haben, die angekommen sind. Wie passend ist der Name Friedhof, denn er lässt mich auch an alle die denken, die im Meer ertrunken sind, über 25.000 Menschen laut Statistiken seit 2014. 

Wenn ich dieses Bild sehe, fühle ich mich hilflos; hilflos, weil noch immer Menschen im Mittelmehr ertrinken, dieses Jahr bereits mindestens 6 Menschen; hilflos, weil die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen im Südosten der EU zunehmend aus unserem Bewusstsein verschwinden. Die Abschottungspolitik macht uns vor, dass der Strom von Flüchtlingen von dort nachlässt. 

Wenn ich dieses Bild betrachte, fühle ich mich ohnmächtig, es wird so viel Hilfe und Unterstützung gebraucht. Was kann ich tun? Was können wir tun? 

In meiner Ohnmacht bete ich zu Gott: 

Allmächtiger Gott, 

so viele Menschen sind gerade auf der Flucht, viele kommen nicht an und auch für die, die es bis in die EU geschafft haben, gibt es keine Garantie, dass sie bleiben dürfen. Bitte beschütze die Menschen die unterwegs sind, dass Sie Unterstützung erfahren. Mach, dass niemand mehr im Meer ertrinkt. Bitte schenk Sicherheit und Neuanfänge. Schenke den Politikern Weisheit. Öffne unser Herz für einander und bring uns in Bewegung, dass wir uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. 

Amen

Ihre Anthea Haacke