Das Wort zur Wochenmitte

Sehr gut

Der Schnee taut und hinterlässt eine Welt ganz in Grau. Selbst die grüne Pferdeweide ist eher graubraungrün – eben alles eine Kruschelmuschel-Farbe ohne fröhliche Akzente. 

So ist der Winter – die Bäume blattlos, die Wiesen blumenlos, der Himmel sonnenlos. Da ist der blaue Himmel, der uns in der letzten Woche mit der klirrenden Kälte beschwert wurde, schon fast wieder vergessen.  

Aber das ist noch lange kein Grund, um Trübsal zu blasen. 

Denn es gab fröhliche Menschen, die ihre Fröhlichkeit in die Bäume gehängt haben – hier eine Häkelblume, da eine Häkelraupe in schickem Blau, da ein Schneemensch mit Hut und dann noch eine Eule mit gelben Wimpern (oder wie heißt der Federkranz um die Augen bei den Eulen? Ornitolog*innen vor!).

Ob mich diese Fröhlichkeit wohl anstecken kann? 

Ich stelle fest: Ein bisschen schon. Sie hat mir wenigstens den Montagmittag schon mal etwas bunter gemacht. 

Natürlich ändert das nichts an der Wetterlage, erst recht nichts an den Krisen in der Welt, weder an der Klima-Krise noch am Kriegsgeschehen, und natürlich auch nichts daran, wie es in mir aussieht, wenn ich wirklich heftige Probleme wälzen muss, aber gegen meine schlechte Laune kann das schon wirken. Es zaubert mir auf jeden Fall ein Lächeln ins Gesicht – überhaupt diese wunderbare Raupe, die sich einfach um einen Zweig windet. Wie die wohl da oben hingekommen ist? Da hat sich aber jemand ganz schön angestrengt!

Ich stelle mir vor, wie schon das Häkeln eine gute Idee gegen den Trübsinn war, und habe einen Dialog im Kopf, wie er in meiner Kindheit abgelaufen wäre: 
„Och Mama, ich weiß nicht, was ich machen soll.“
„Dann lies doch ein bisschen.“ 
„Mein Buch ist durch.“ 
„Dann spielt doch ein bisschen!“ 
„Mit wem soll ich denn spielen? XY (hier wahlweise die Namen von Geschwistern eintragen) will doch nicht!“ 
„Na komm, dann häkeln wir eben Raupen und hängen sie in die Bäume!“
Was für ein schönes Wochenendprogramm für Schneetage, oder? Jedenfalls wenn der Schnee noch nicht wirklich zum Rodeln und zum Schneemannbauen reicht. 

Und dann noch eine Freude für Spaziergänger*innen am Auftau-Montag! Eine Idee, die gleich auf mehrere Weise Freude gemacht hat. Wie wunderbar! 

Und irgendwie musste ich nach dem Spaziergang daran denken, dass ich doch eigentlich mal selbst Meisenfutter in alte Tassen füllen wollte – wenn der Henkel noch dran ist, kann man die nämlich in die Bäume hängen. Für zwei Tassen voll hat mein Vorrat an Fett und Vogelfutter noch gereicht. Ich habe sie vorsichtshalber nach vorne in die Sträucher an der Straße gehängt. Damit die Spaziergänger*innen sie sehen und selbst auf neue Ideen kommen. 

Ach übrigens: in diesem Januar heißt der Monatsspruch:

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. 

1.Buch Mose 1,31

Sehr gut! 

Ob die Häkelfamilie wohl auch hinterher drauf geschaut und gedacht hat: Das ist doch sehr gut!  
Hoffentlich! Sie kann zufrieden sein mit ihrem Werk, finde ich. 

Ihre Pfarrerin Claudia Bitter