Das Wort zur Wochenmitte

Liebe Leserin,
lieber Leser!

Gut oder böse? Was ist der Mensch? Trägt er beides in sich? Wie ist Ihre Erfahrung mit sich selbst? Und mit anderen? Ich bin sicher, dass wir alle viele Geschichten dazu erzählen könnten. 

Eine für unsere Zeit sehr prägende Geschichte möchte ich Ihnen heute erzählen. Sie ist zugegebenermaßen alt. Aber nicht altbacken, glaube ich. Sie spielt zwischen den Jahren 400 und 420 nach Christus und spricht von einem nordafrikanischen Bischof sowie einem irischen Gelehrten. Letzerer heißt Pelagius, ersterer Augustin. Von Augustin haben Sie womöglich schon gehört. Er ist ein bedeutender Kirchenlehrer der römischen Kirche gewesen und hatte ein sehr kritisches, wenn nicht negatives Menschenbild. Er hat für die Kirche die Lehre von der Erbsünde entwickelt: Der Mensch ist von seinem Wesen her böse und von Gott getrennt, schrieb er. Das Böse in ihm wird sogar durch den Geschlechtsakt vererbt. Nur die Kirche könne den Menschen erlösen.

Pelagius hingegen schrieb: Der Mensch ist von seinem Wesen her gut von Gott geschaffen. So heiße es doch schon am Anfang der Bibel: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ 

Augustin hat es damals geschafft, dass Pelagius die Lehrerlaubnis im Römischen Reich entzogen wurde, und er wurde sogar exkommuniziert. Zuvor war er Lehrer gewesen und hatte viel über sein positives Menschenbild veröffentlicht. Nun musste er zurück in die Heimat kehren, in die Verbannung sozusagen. 

Ich frage mich, was passiert wäre, wenn Pelagius den Streit mit Augustin über Gut und Böse gewonnen hätte. Denn ich denke, dass er Recht hatte. Und leider Gottes ist mit Augustin, aber auch seinen theologischen Vorgängern und Nachfolgern, ein unbiblisches negatives Verständnis vom Menschen, von der Sexualität und vom weiblischen Geschlecht in die Welt gekommen, dass uns alle nachhaltig geprägt hat. 

Pelagius, das muss auch gesagt werden, hat das Böse im Menschen nicht verleugnet. Er hat es als eine Krankheit beschrieben, die geheilt werden kann. Aber der Mensch ist in seiner Lehre dem Wesen nach, im tiefsten Inneren, gut. Und das ist eine wichtige Botschaft für alle gebeutelten Menschen, die mit einem geringen Selbstwertgefühl leben müssen: Du bist ein gut geschaffenes Wesen, das ist die Botschaft der Bibel. Du bist angenommen durch Gott. Du bist sein Ebenbild. Nun lebe auch so. 

Ich möchte es mit einem Gedicht sagen, das ich vor einiger Zeit dazu geschrieben habe.

In diesem Sinne wünsche ich Euch und Ihnen eine gute und stärkende Sommerzeit!

Ihr und Euer Tom Damm

Der Mensch, die Kirche und das Gute

Der Mensch ist gut in seinem Wesen,
das kann man in der Bibel lesen.
Doch leider lese ich dort auch 
von dem althergebrachten Brauch, 
er habe gegen Gott gehandelt, 
in einen Sünder sich verwandelt.

Die einen halten daran fest,
dass jeder Mensch ein Sünder ist.
So pflegen sie ein Menschenbild,
das Menschen in der Sünde hält.
Sie bleibe, sagen uns Gelehrte,
weil erblich, stetiger Gefährte. 

Dagegen halt ich daran fest,
dass dieses schlicht erfunden ist
von Augustin, dem alten Recken,
der seinen Mitmenschen den Schrecken
von Krieg und Folter seiner Zeit
– und seine Frauenfeindlichkeit – 
erklärte: Siehe ich verkünde
von Eva die geerbte Sünde.

Die Kirche hat auf diese Weise
den Gläubigen auf ihrer Reise 
den Himmel erst einmal verschlossen 
und hat sie bitter büßen lassen 
im Fegefeuer, das galant 
sie eben noch dazu erfand.
So zahlten sie, die Leut, die braven
und wurden zu der Kirche Sklaven.
So zahlten sie den Petersdom 
für den vermeintlichen Schalom.
Die Kirche konnte trefflich leben 
von dem, was Kirchensklaven geben. 

Doch heute haben sie’s erkannt
und sind der Kirche weggerannt.
Sie wollten Sünde nicht mehr erben 
und leugnen ewiges Verderben.
Und ja, sie haben Recht damit. 
Es braucht gewiss den klaren Schnitt. 

Wir sollten dafür dankbar sein,
denn Gott ist gut. Er lädt uns ein,
die Bibel nochmal neu zu lesen 
vom Schöpfungsruf an alle Wesen.
Gott ruhte danach frohgemut.
Denn siehe, es war alles gut.

Ich lebe heut aus seiner Kraft,
die er in meinem Herzen schafft
Ich liebe ihn, weil er mich liebt 
und Fehler liebevoll vergibt.
Wenn diese Botschaft Einzug hält, 
ist es um Kirche gut bestellt.