Das Wort zum Tag

Keine leichte Entscheidung

Ich gebe zu, mit diesem 3-Appartment-Haus für Vögel haben wir es der Meise wirklich nicht leicht gemacht. (Eigentlich soll da auch eine Spatzenkolonie wohnen – aber wir haben wohl den Bedarf falsch eingeschätzt)  Auf einmal muss jetzt die Meise entscheiden, wo sie einziehen will. Nicht nur ein Einflugloch ist da, nicht nur eine Möglichkeit, sondern mehrere nebeneinander. Das eine näher an der Sonne, das andere mit etwas mehr Abstand zu dem Pfosten, und das in der Mitte hat potentiell Nachbarn zu beiden Seiten und wird vielleicht nur gewählt, wenn alles andere besetzt ist. 

Die Meise macht es sich nicht leicht, fliegt mehrmals raus und rein, eine zweite kommt hinzu (die Partnerin/ der Partner??? – Wer sucht bei den Meisen eigentlich das Nisthäuschen aus? Wie sieht bei denen die Rollenverteilung aus?).  Irgendwann sehen wir dann eine Meise mit Grashalmen im Schnabel. Sie hat sich für die ganz rechte Wohnung entschieden. Der Pfosten ist weit genug entfernt – da ist man sicherer vor den Katzen. Und da kommt dann ja auch weniger Schnee hin. In diesem April muss man ja mit allem rechnen. 

Wir atmen durch. Das Häuschen wird gebraucht. Die Meise baut hier ein Nest für ihre Jungen.

„Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen.“, fällt mir der Psalm 84 ein.

Ein Haus finden, einen Bezugspunkt, wo man hingehört – darum geht es im Psalm. Und darum ging es wohl auch der Meise. Denn von jetzt ab sehen wir sie ständig. Da muss wohl etwas heranwachsen….

Einen Bezugspunkt haben – einen Ort, einen Menschen, eine Überzeugung, einen Glauben – etwas, was mir Halt gibt, was mich geborgen sein lässt – ich kann das Leben im Glauben mit dieser Nistplatz-suche der Meise vergleichen. Alles muss gut abgewogen sein, alles muss überlegt sein, alles muss ich auch fühlen können. Aber dann muss ich mich auch entscheiden, einzuziehen. Ich muss den Schritt machen, auf den Glauben zu trauen, mich darein einzurichten, im Glauben zu leben – und das in den wechselnden Lebenslagen. Ob bei Schnee oder bei Sonne, hier ist mein Zuhause. Hier gehöre ich hin.   

Etwas weiter unten im Psalm 84 heißt es: „Wohl den Menschen, die dich (Gott) für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen.

Das dürre Tal ist für viele im Augenblick da. Diese Pandemie ist wirklich eine Durststrecke. Wir müssen da durch, aber leicht ist es nicht. Jetzt spüre ich, dass mir der Glaube Kraftquelle ist. Im Glauben finde ich eine Stärke, gerade wo meine eigene Kraft zu Ende ist. Ich muss nicht alles in mir selbst finden, sondern kann mich von Gott stärken lassen. Und ich kann darauf vertrauen, dass ich auch morgen wieder diese Stärke bei Gott finde. Immer neu und immer wieder. Das ist Glauben.

Die Meise hat es mir vorgemacht. Sie hat ihr Haus gefunden. Jetzt ist sie nicht mehr auf der Suche. Jetzt hat sie einen Platz, wo sie hingehört, wo ihre Jungen in den ersten Lebenswochen gut aufgehoben sind. Das gibt ihr Kraft. 

Und ich weiß wieder die Stärke und die Kraft zu schätzen, die mir der Glaube schenkt. 
Bin dankbar für diese Kraft und gehe weiter durch das dürre Tal der Pandemie. Auch da spüre ich den Segen des Glaubens. 

Ihre Pfarrerin Claudia Bitter