Ich stehe vor der Staumauer des Möhnesees. Gedanklich tauche ich in die Geschichtsbücher ein. In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 zerstörte die Royal Air Force die Staumauer mit sogenannten Rollbomben. Sie rissen ein riesiges Loch in die Staumauer. Eine Flut wälzte sich durch die Täler von Möhne und Ruhr. Über 1300 Menschen kamen ums Leben. Häuser und Höfe wurden weggespült. Selbst in Schwerte, etwa fünfzig Kilometer von der Staumauer entfernt, stand das Wasser mit dem Treibgut noch haushoch in der Altstadt. Eine der größten Katastrophen unserer Region.
Ich stehe vor der Staumauer des Möhnesees. Ich sehe Mütter und Väter, die fröhlich einen Kinderwagen schieben. Ich sehe spielende Kinder, die lachend versuchen, sich mit ihren Skateboards vorwärtszubewegen. Ich sehe vergnügte Jugendliche, mit einer Bratwurst in der Hand. Ich sehe zwei Verliebte, wie sie am Schutzzaun der Staumauerkrone ein Schloss anbringen als Zeichen ihrer ewigen Liebe. Ich bleibe stehen und höre einem Musikanten zu. Pure Lebensfreude an dem Ausgangspunkt der damaligen Katastrophe.
Darf ich das hoffen, dass meine, dass unsere Katastrophenpunkte im Leben zu Orten der Freude und des Friedens werden können?
Die Staumauer des Möhnesees. Zeichen der Hoffnung.
Ich betrachte das Kreuz, das seit Ostern 2020 auf der Wiese vor dem Johanneshaus steht. Das Kreuz, Sinnbild der größten Katastrophe, die Jesus erleiden muss. Und sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf´s Haupt. Sinnbild bittersten Spotts. Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel aus. Sinnbild der größten Gottesferne. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Aber noch während diese Katastrophe sich wie eine Flut durch die Täler walzt, blitzt ein erstes Hoffnungszeichen auf. Siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke. Der Weg zu Gott ist frei. Die trennenden Sünden sind vergeben. Drei Tage später werden an Jesus, dem Gekreuzigten, Gottes Schöpfungskraft und Lebenswillen sichtbar. Der Herr ist auferstanden. Wiederum ein paar Jahrzehnte später kann Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth schreiben: Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist´s eine Gotteskraft.
Das Kreuz Jesu. Eine Gotteskraft. Zeichen der Hoffnung.
Ihr und Euer Hartmut Görler