Das Wort zum Tag

Ostersonntag, 12. April 2020

Für mich hat jemand Ostern versteckt

Wie schön waren die Sonnenstrahlen in den letzten Tagen.
Jeden Tag habe ich ein wenig Zeit im Garten verbracht. Unkraut gezupft, kleine Sträucher geschnitten. Rasen gemäht.
Hier ein bisschen, dort ein bisschen.
Manchmal auch einfach auch die frische Luft genossen.

Wenn ich mich nun so umblicke, dann fällt mein Blick auf den Stachelbeerbaum hinten im Beet.
Ob er dieses Jahr wieder Früchte trögt?
Ich erinnere mich an den Sommer vor zwei Jahren, als er kahl gefressen wurde.
Vielleicht sollte ich dich ein Netz zum Schutz darüber legen. Wollte ich eigentlich letztes Jahr schon machen.
Vergessen und doch gut gegangen.
Ich gehe weiter und blicke auf das, was noch erledigt werden will.
Da sehe ich im Beet eine Gartenschere, leicht angerostet.
Die habe ich gesucht und letztes Jahr bei der letzten Gartenarbeit wohl dort liegen lassen.

Da keimt auf einmal eine Erinnerung in mir. Als Kind bei Oma und Opa im Garten.
Es war Zeit für T-Shirt und kurze Hosen.
Es war langweilig.
Also beschäftigte ich meine Hände mit irgendwas.
Rupfte Gänseblümchen, probierte die Johannisbeeren, deren Säure mir den Mund zusammenzogen und bohrte mit meinen Fingern im lockeren Moos.
Auf einmal hatte ich was in der Hand.
Es glänzte und war ein bisschen weich.
Vorsichtig zog ich es aus dem Moos und da:
Ein Osterei!
Jemand (vielleicht mein Großvater) hatte es im April versteckt und es war von niemanden gefunden worden.
Aber ich. Natürlich aß ich es.
Und ich kann sagen: es schmeckte!
Süß und cremig.
Halb geschmolzene Schokolade im Sommer.

Für mich hat jemand dieses Jahr Ostern versteckt.
Unter einem Netz aus abgesagten Familienfesten und Kontaktsperren.
Aus leeren Kirchen und dem Gerede von „Zeiten wie diesen.“
Ein Netz, dass sich über unsere Tage spannt, so dass der Alltag kein normaler Tag ist und damit auch Festtage auch irgendwie keine richtigen Festtage mehr sind. 
Und doch, es ist Ostern!

Jemand hat Ostern versteckt unter diesem Netz.
Irgendwo da liegt der Glanz dieses besonderen Morgens, als zwei Frauen gesagt worden ist:
„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ und sie ein leeres Grab fanden.
Vielleicht ist es ja so, dass Ostern sich finden lässt.
Während wir warten und unsere Hände beschäftigen.
Dass uns Ostern in die Hände fällt.
Und der Glanz sich sehen lässt, während wir ihn vorsichtig heraus ziehen.
Ein Moment der Freude, eine Vorahnung auf den Sommer.
Jemand findet uns, den wir gar nicht erwartet hätten.
Irgendjemand hat Ostern versteckt.
Und wenn wir es finden, dann schmeckt es süß und cremig.
Wie ein vergessenes Osterei mitten im Sommer.
Das wäre schön!

Gesegnete Ostern und bleiben Sie behütet!

Ihr und Euer Daniel Groß