Eine Traumreise
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Manchmal ist es ein Segen, eine Reise ins Traumland anzutreten, um dort eine Vorstellung von der Wirklichkeit zu erhalten. Ich möchte auch Sie heute einladen ins Traumland Realitanien:
Im Traum wird Ihnen die große Ehre zuteil, dass alle 80 Mio Bundesbürger*innen binnen einer Stunde wie bei einer Audienz an Ihnen vorbeiziehen (keine Angst: in diesem Traum können tatsächlich so viele Menschen ohne Drängeln und ohne jeden Stress in 60 Minuten vorüberziehen), wobei ihre jeweilige Körpergröße entsprechend der Größe ihres individuellen Vermögens ist. Sie selbst haben im Traum Ihre ganz normale Körpergröße – sie soll der Maßstab für das durchschnittliche Vermögen in der BRD sein. So stehen Sie da, und die Parade der 80 Mio. Bundesbürger beginnt. Doch Sie sind irritiert: Wo sollen denn all die Menschen sein? Die erste halbe Stunden sehen Sie NIEMANDEN. Langsam dämmert es Ihnen, dass in Ihrem Traumland Realitanien Menschen, die über kein oder nur minimales Vermögen verfügen oder sogar verschuldet sind, überhaupt keine erkennbare Körpergröße haben. Nach etwa 30 Minuten erkennen Sie die ersten Menschen – anfangs winzig klein. Von Minute zu Minute werden sie größer und nach 45 Minuten begegnen sie Ihnen auf Augenhöhe. Sie atmen erleichtert auf, denn das Szenario vorher hatte auch etwas Bedrückendes. Von nun an müssen Sie mehr und mehr aufschauen zu den vorbeiziehenden Menschen und langsam denken Sie: Willkommen im Land der Riesen! Doch das Ende des Traumes, die allerletzten 30 Sekunden, wirken apokalyptisch, denn die wenigen noch vorbeiziehenden Menschen sind GIGANTISCH groß. Ihre Größe verdunkelt den Himmel. Sie sind dermaßen groß, dass das einzige von ihnen, was Sie sehen können, nur ein Teil ihrer Füße ist…. Der Wecker läutet. Benommen erwachen Sie aus Ihrem Traum. Was war das eben? Alles nur ein Traum? Es war es die gruselige Abbildung der tatsächlichen Wirklichkeit der aktuellen Vermögensverteilung in Deutschland in Form einer Traumreise.
Bei der Traumdeutung oder dem Fazit, welches man nun persönlich daraus zieht, wird es ganz spannend. Aber Vorsicht, denn im Leben gibt es zumeist keine einfachen Lösungen, weil die Wirklichkeit weitaus komplexer ist als wir denken. Dies gilt auch für Folgerungen, die wir aus diesem Traum ziehen mögen, etwa für politisches Handeln (z.B. Wie finanziert man Haushaltslöcher? Wieviel investiert man in Bildung zur Förderung und Teilhabe sozial Benachteiligter?) Das Eis ist sehr dünn und populistische Sprüche helfen absolut nicht weiter! Und doch ist es für eine Gesellschaft wichtig, die Frage nach dem Wohl für alle Menschen zu stellen, was zu diesem Wohl alles zu tun ist, und was in dieser Zeit auch richtungsweisend geboten ist…
Anstatt einer schnellen Antwort lade ich Sie ein zu einem zweiten Traum. ( Die Bergpredigt Jesu in Matthäus 5 – 7 ist Ihnen vielleicht ein wenig vertraut.) In Ihrem zweiten Traum erscheint nun auf Ihrem Smartphone, auf der Titelseite der Zeitung und auf Plakaten in großen farbigen Lettern: „Jesus kommt nach Schwerte! Alle sind herzlich eingeladen! Verfolgen auch Sie live die aktuelle SchwerterWaldPredigt Jesu!“. Gerne dürfen Sie Ihren Traum weiter ausschmücken.
Was würde Jesus uns heute lehren? Ich möchte nicht aufhören, auch davon zu träumen! Und was hieße es dann für mein, für Ihr, für unser aller Leben – nicht nur in Schwerte und in Deutschland …?!
Ihr Achim Dreessen