Das Wort zur Wochenmitte

Liebe Leserin,
lieber Leser!

Foto: Fly_and_Dive – stock.adobe.com

Vor 4 Tagen ist Andrej angekommen. Ein 17jähriger Flüchtling aus der Ukraine. Meine Familie in Marl hat ihn aufgenommen, er ist genauso alt wie meine Tochter. Das Jugendamt hat die Vormundschaft und das Sorgerecht geregelt. Und nun kann Andrej erstmals seit Kriegsausbruch zur Ruhe kommen und wieder zu sich selbst. 

Andrej will nicht mit russischem Zungenschlag angesprochen werden, sondern auf ukrainisch, also „Andri“. Das gehört zu seiner Identität. Sein Vater, von dem er schon lange getrennt lebt, ist Psychotherapeut. Er möchte auch Psychologie studieren, und zwar in Deutschland. Ob ihm das gelingen wird auf dem Weg durch die Instanzen mit der Anerkennung seiner Schullaufbahn in der Ukraine? Es ist ihm zu wünschen. Er braucht eine Perspektive.

Mit seiner Mutter ist er direkt am ersten Kriegstag aus Kiev in die Karpaten geflüchtet. Dort haben sie Verwandte. Dann haben sie es unversehrt über die Grenze nach Rumänien geschafft und sind zunächst in einer Pension gestrandet. Andrejs Mutter ist aus verschiedenen Gründen erst einmal dortgeblieben, Andrej selbst aber zog es weiter nach Deutschland. So viele Jahre hat er Deutsch gelernt, um hier studieren zu können. Und nun ist alles viel abrupter und heftiger gekommen, als ursprünglich geplant. Was für ein Glück für ihn und seine Mutter, dass sie dem Elend entkommen konnten. 

Wie es auch immer für Andrej weiter geht hier bei uns und in seiner neuen Pflege-Familie – er hat nun für eine Zeit ein friedliches neues Zuhause mit lieben Menschen, die sich um ihn kümmern, gefunden. Ich selbst freue mich schon, ihn in einigen Tagen auch persönlich kennen zu lernen, wenn meine Tochter mit ihm zu mir zu Besuch kommt. Wie immer es auch weiter gehen mag mit seiner Mutter, die auch in der Fremde zurechtkommen muss. Mit seinem Vater, zu dem er glücklicherweise Telefonkontakt hat. Er lebt noch. Mit seinem Land, das schon in Schutt und Asche liegt und zehntausende von Toten zu beklagen hat. Mit Europa, das gerade politisch scheitert und moralisch am Boden liegt. Wie es auch weiter geht… 

Mir fällt dazu ein Bibelwort ein, das mir plötzlich ganz nahekommt:

„In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“.

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Das hat Jesus gesagt. Bisher hörte sich das für mich nach einer Jenseitshoffnung an. Doch jetzt weiß ich, dass Gottes Wohnungen mit den offenen einladenden Haustüren überall auch unter uns zu finden sind. Wie gut das ist!

Ihr Tom Damm