In diesen Tagen versammeln sich immer mehr Menschen, um für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu demonstrieren. Auch in Schwerte kommen Menschen im Rahmen einer Mahnwache zusammen. Am 3. März 2022 hat Pfarrer Hartmut Görler gesprochen für Frieden geworben. Hier seine Ansprache:
Sehr geehrte Damen und Herren !
Es ist Krieg.
Krieg in Europa.
Das russische Militär bombadiert Kiew. Die Luftwaffe beschießt Hochhäuser, Krankenhäuser, Fernsehtürme.
Tausende von Menschen haben die letzte Nacht in den U-Bahn- Schächten verbracht.
Tausende von Menschen sind schon gestorben.
Millionen von Menschen sind schon geflohen.
Dieser Krieg ist barbarisch, ein Verbrechen an der Menschheit.
Wir sind hier versammelt um ein Zeichen zu setzen,
ein Zeichen gegen Krieg und Machtmissbrauch und für den Frieden.
Mir haben die letzten Tage noch einmal gezeigt, wie wichtig und wertvoll eine demokratische Staatsform ist.
Ich gebe zu, in der Corona-Zeit war ich das eine oder andere Mal genervt, dass es im Miteinander und Gegeneinander von Bund und Ländern oft so schwierig war, gemeinsame Regelungen zu finden. An dem Beispiel Putin ist mir noch mal aufgegangen, dass es eine kluge Entscheidung unserer politischen Vorgängerinnen und Vorgänger war, zwischen Bundestag und Bundesrat zu unterscheiden. Sie wollten vor dem Hintergrund des Nazi-Regimes strukturell verhindern, dass eine Einzelperson und ein einzelnes Gremium zu viel Macht an sich binden kann. So ein krankes Verständnis von Macht, wie wir es bei Herrn Putin erleben, beschränkt unsere demokratische Verfassung. Ich bitte Sie eindringlich: hören Sie nicht auf, sich für Demokratie einzusetzen.
Hören Sie nicht auf, Demokratie zu leben. Demokratie schützt Freiheit und schränkt die Möglichkeit ein, Macht zu missbrauchen. Ich bin stolz auf und dankbar für unsere deutsche Deomkratie.
Vor etwa 10 Jahren durfte ich die Ukraine besuchen. Bevor ich nach Schwerte kam, habe ich als Pfarrer in Fröndenberg gearbeitet. Dort gab es zwei Gemeindeglieder, zwei ältere Herren, die sich auf Spurensuche begeben hatten. Sie wollten wissen, wo ihr Vater gefallen war. Sie machten sich auf den Weg und fanden tatsächlich im Norden der Ukraine Zeitzeugen, die ihren Vater noch kannten. Die Bürgerinnen und Bürger von Schtors waren so bewegt von den beiden Besuchern aus Deutschland, dass sie bis zum nächsten Besuch bereits ein Holzkreuz aufgerichtet hatten mit dem Namen des verstorbenen Landwirts aus Fröndenberg. Als ich die Stadt besuchen durfte, hatten die Menschen dort mittlerweile die Frontlinie zu einer nationalen Gedenkstätte umgebaut. Wie in einem Freilichtmuseum erinnerten Erdbunker an eine bedrückende Vergangenheit. Diese Gedenkstätte war zugleich ein mahnender Ort für den Frieden. Schulklassen besuchten den Wald und übernachteten dort, um zu lernen, dass Krieg Zerstörung und Tod bringt und nicht die Freiheit. Ich stand vor jenem Holzkreuz mit dem Namen des verstorbenen Soldaten Ulmke. In dem Moment begriff ich den Wahnsinn von Kriegen: ein Landwirt aus Fröndenberg verteidigt an der Grenze zu Belarus seine Heimat. Gleichzeitig hat mich der unbedingte Wille des ukrainischen Volkes zu Frieden und Gerechtigkeit beeindruckt.
Nach dem, was ich gesehen und erlebt, muss ich eindeutig bekennen: nein, die Ukraine ist nicht voll von Faschisten. Nein, die Ukraine muss nicht entnazifiziert werden. Das sind meiner Meinung nach bewusste Lügen der russischen Politik. Die Ukraine ist – das ist mein Bild – ein demokratischer Staat in Osteuropa, der in seiner Sehnsucht nach Freiheit zur europäischen Union gehören möchte.
In diesen Tagen haben Sie und ich viel mit anderen Leuten diskutiert. Immer wieder ist die Frage gestellt worden: lohnt sich das, für Frieden in der Ukraine zu demonstrieren? Lässt sich davon Herr Putin beeindrucken? Können wir etwas mit unseren kleinen Aktionen vor Ort bewegen?
Ich sage: Ja. Eindeutig ja.
Wenn überall auf der Welt Menschen auf die Straßen gehen und sich für Frieden einsetzen, schwindet die Macht der Despoten.
Wir sind mehr.
Wir, die wir Frieden wollen und Freiheit und Demokratie sind mehr als die, die alle Regeln eines menschlichen Miteinanders über den Haufen werfen, nur um die eigene Macht auszubauen. Mord und Totschlag haben keine Zukunft.
Und auch wir, 50, 80, 100 Leute auf dem Postplatz in Schwerte machen deutlich:
Herr Putin, keine Waffe, keine Bombe, keine Invasion werden die Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Freiheit unterbinden!
Diese Mahnwache hier in Schwerte ist aber nicht nur eine Botschaft an die russische Duma. Diese Mahnwache ist eine Botschaft an uns selber, an unser Miteinander in Schwerte.
Wir bekennen uns zum Frieden in der Welt und zum Frieden zuhause. Ich bitte Sie inständig, dass das nicht nur Worte sind, sondern dass unseren Worten auch Taten folgen.
Ich will den Mund nicht zu voll nehmen. Ich weiß sehr wohl, dass ich persönlich oftmals viel zu bequem bin, um auf die Straße zu gehen und mich für Frieden und Gleichberechtigung einzusetzen.
Von daher rufe ich nicht nur Sie auf, sondern eben auch mich selber: setzt euch hier vor Ort für Frieden ein, für Gleichberechtigung, für Integration, für Gerechtigkeit. Öffnet eure Vereinsheime und Gemeindehäuser, um geflohene Ukrainerinnen und Ukrainer willkommen zu heißen. Öffnet eure Augen und seht, dass mit der Ukraine-Krise und den steigenden Energierkosten immer mehr
Menschen auch in Schwerte in die Armut getrieben werden. Wir müssen kreativ und aktiv werden und in einer bunten Gesellschaft auf einen drohenden sozialen Unfrieden in der Stadt reagieren.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich heute auf den Weg gemacht haben. Ich danke den politischen Fraktionen unserer Stadt, die zu dieser Mahnwache eingeladen. Ich danke allen, die unsere Demonstration vorbereitet haben.
Das macht Mut.
Wir bekennen uns gemeinsame zu Frieden und Freiheit in der Welt und hier in Schwerte.
Wir sagen gemeinsam Nein zu einem Krieg, der auf einem kranken Geschichtsbild beruht.
Wir sind mehr, und wir können was bewegen.
Danke für Ihr Engagement, für Ihre Geduld und für Ihr aufmerksames Zuhören.