Ein Traum von einem Dachstuhl 

Eine Baustellenbegehung

Ein stürmischer Novembertag. Sechs Personen klettern über die Leiter des Gerüsts an der St. Viktor Kirche in Schwerte in schwindelerregende Höhe. Von der Kirchengemeinde Schwerte mit dabei sind Ulrich Groth, Daniel Groß, Tom Damm und Hartmut Görler. Nach einigen Gerüstetagen erreichen sie die Dachkante des frisch eingedeckten Kirchenschiffs. Bauabnahme. Die Renovierungsarbeiten an Dach und Dachstuhl sollen begutachtet und freigegeben werden.

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Die Vertreter des Presbyteriums sind begeistert. Die Schieferarbeiten scheinen aus Laiensicht gelungen zu sein. Vor allem die geschwungenen Übergänge zu den Gauben und Anbauten wecken ein Strahlen in ihren Augen. Auch der Experte, der Schiefersachverständige Ulrich Lutter, kommt schnell zu einer Bewertung: „Toll“ sagt er schlicht und ergreifend, „eine großartige Handwerksleistung.“. Und er setzte noch eins oben drauf: „Eines der schönsten Projekte, das ich begleitet habe“. Die Mitarbeiter des Dachdeckerbetriebes Rudolph aus Zeulenroda/Thüringen hatten allen Grund, auf ihre Arbeit stolz zu sein. Auch die verbreiterten Dachrinnen sind schon angebracht. Bei diesen Arbeiten haben die Handwerker einen eisernen Beschlag gefunden, den Frau Dr. Heine-Hippler von der oberen Denkmalbehörde noch nie zuvor gesehen hatte: eine Art Traufeisen, das wohl ein geschiefertes Brett gehalten hat, um das Regenwasser von der Außenwand weg abfließen zu lassen. Zwei der schönsten Beschläge wurden mit ins Bauarchiv Münster mitgenommen. Andere werden demnächst für Besucherinnen und Besucher im Inneren des Dachs ausgestellt werden.

Dann ging es nach innen. Denn neben der Schiefereindeckung musste ja auch der Dachstuhl ausgebessert werden. Hier kam Frau Dr. Heine-Hippler richtig in Wallungen. Ihre Begeisterung konnten die Teilnehmer der Baubegehung auf Schritt und Tritt spüren. „Ein Traum von einem Dachstuhl“, sagte sie immer wieder. Gerne erläuterte sie, dass es sich um ein „aufgeständertes Kehlbalkendach“ handeln würde. Über einen neuen Holzsteg konnte die kleine Besuchergruppe zu den entlegensten Ecken kommen und die Handwerksarbeiten der Zimmerei Müller aus Soest bestauen. Sie haben schadhafte Stellen im Holzwerk ausgebessert und dabei mittelalterliche Handwerkskunst umgesetzt.

Die Sanierungsarbeiten wurden von Mitarbeitern des Landschaftsverbandes wissenschaftlich begleitet. Tatsächlich haben die Arbeiter im Turmnebendach einen Balken mit Spuren eines Brandes aus dem 17. Jahrhundert gefunden. Um die Geschichte des Feuers neu zu bewerten, hat der Bauforscher Peter Barthold an 24 Stellen daumendicke Löcher ins Holz gebohrt und die Proben zu einem Speziallabor nach Bamberg geschickt. Die Ergebnisse sind zum Teil spektakulär. Tatsächlich konnte er nachweisen, dass das Dach über dem Hauptschiff der Kirche 1670/71 nach mittelalterlichen Vorlagen, aber mit neuem Holz wiederaufgebaut wurde. Das Dach über dem Chorraum ist deutlich jünger und wird auf die Jahre 1770/71 datiert. Außerdem wurde hier eine auffällig andere Dachkonstruktion gewählt. Was zwischen der ersten und der zweiten Dachsanierung geschah, bleibt verborgen. Überraschend aber waren die Ergebnisse aus dem Turm und dem Turmdach. Hier fand der Bauforscher einen Holzaufbau von 1470. Proben aus dem Turmhelm wurden auf das Jahr 1476 datiert. Damit ist klar: das Feuer aus dem 17. Jahrhundert hat den Turm der St. Viktor Kirche nicht zerstört. Betroffen war nur die Seite zum heutigen Museum hin. Damit haben die wissenschaftlichen Untersuchungen neuste Informationen über die Baugeschichte von der St. Viktor Kirche und über die Stadtgeschichte Schwertes hervorgebracht.

Ein erster Teil des ersten Bauabschnitts ist damit abgeschlossen. Die ersten Gerüstelemente werden noch im November abgebaut. Je nach Wetterlage können die noch ausstehenden Dacharbeiten bis Weihnachten erledigt werden. Dann wird eine Baumaßnahme von 1,2 Mio Euro abgeschlossen sein. Die Kirchengemeinde freut sich über zwei eingegangene Förderungen des Landes und des Bundes über je 400.000 Euro. Klar ist aber auch, dass die Kirchengemeinde weitere 400.000 Euro selber aufbringen muss. Sie ist dankbar für die Unterstützung des Fördervereins St. Viktor und für jede kleine und große Spende, die bei der Erhaltung der St. Viktor Kirche weiterhelfen.

Die Anträge für den zweiten Bauabschnitt (Turm und Außenfassade) sind gestellt. Nun bleibt abzuwarten, ob das Land NRW und der Bund auch diesmal die Baumaßnahme fördern. Nur wenn eine verantwortungsvolle finanzielle Grundlage gegeben ist, können die weiteren dringend notwendigen Sanierungen in Angriff genommen werden.

Hartmut Görler