
Liebe Leserin, lieber Leser.
Als ich gestern morgen noch etwa schlaftrunken in die Küche wankte, um meiner Frau und mir den ersten Kaffee zu machen, fiel mein Blick durchs Fenster auf die Hecke vor unserer Wohnung. Die Hecke erschien voller Tau- und Regentropfen, und bei näherem Hinsehen konzentrierten sie die Tropfenmeere auf einige wenige Stellen; nämlich dort, wo fleißige Spinnen ihre eigenen Behausungen geschaffen hatten: ein wunderschöner Anblick. Ich habe ihn für Sie festgehalten, als ich auf Hausschuhen mit dem Handy nach draußen stolperte und mir die Sache genauer ansah.
Ein kleines Wunder vor meiner Haustür, musste und muss ich immer noch denken. Lebensraum für die kleinsten unter uns. Und die Tropfen am Morgen schließen mir den Blick auf dafür. Ehrfurcht ergreift mich. Ehrfurcht, ein altes Wort. Es fasst in sich ein Staunen über die Vielfalt um mich herum. Weil es lebt und webt und gut geordnet ist. Aber in diesem alten Wort steckt noch mehr als Staunen. Es ist auch die demütige Erkenntnis, dass ich nur ein kleiner Mensch bin, ein Wesen mit wunderbaren Fähigkeiten, aber doch einem begrenzten Geist, das lange nicht alles erfassen kann, was um mich herum ist. Und darüber hinaus beschreibt diese Ehrfurcht noch eine Dankbarkeit dem gegenüber, der alles Leben ins Dasein rief. Und mich. Wow.
Ja, Ehrfurcht, das ist ein „wow“, wenn man es ins Heute übersetzen möchte.
Dieses „wow“ finde ich sehr schön ausgedrückt in einem englischen Gedicht des Dichters William Blake, einem weisen Mann, der die Ehrfurcht kannte, die Ehrfurcht der Schöpfung und seinem Schöpfer gegenüber. Ich habe versucht, seine Verse in unsere Sprache zu holen. Und mit diesen Versen verabschiede ich mich von Euch und Ihnen für heute; und zwar mit dem Wunsch, dass Sie sich Ihr Staunen bewahren!
Ihr und Euer Tom Damm
Sieh in einem Sandkörnchen die Welt,
den Himmel schaue blumenwiesenweit.
Unendlichkeit, was deine Hand da hält,
die Blüten eine Stunde Ewigkeit.
