Das Wort zur Wochenmitte

Liebe Leserin,
lieber Leser.

Neulich im Harz. Ich besichtige die Stabkirche in Hahnenklee bei Goslar. Eine Kirche ganz aus Holz. Da entdecke ich ihn: diesen durch und durch menschlichen Engel. Er sitzt direkt neben der Kanzel auf einem kleinen Absatz. Die Beine hat er frech übereinander gekreuzt. Schuhe und Strümpfe hat er ausgezogen. Er präsentiert seine nackten Füße. Das Kleid ist etwas hochgerutscht. Die Knie sind gerade noch bedeckt. Seinen rechten Arm hat er angewinkelt. Lässig stützt er seinen Kopf darauf ab. Der Engel träumt vor sich hin. Er denkt nach. Er macht nichts anderes als zuzuhören. Wie ich später erfahren habe, gehört dieser Engel zu der Kunstaktion „Tatort Paderborn – Iridische Macht und Himmlische Mächte“ aus dem Jahr 2007. 400 etwa 60cm große Engel hat der Künstler Ottmar Hörl damals in der Innenstadt von Paderborn verteilt. 

Mich hat dieser Paderborner Engel in Hahnenklee in den Bann gezogen. Immer und immer wieder bin ich vor ihm stehen geblieben. Habe Fotos gemacht von rechts von links und mittig. Ein hörender Engel. Direkt neben der Kanzel. Ich verstehe seine Botschaft. Es ist lohnend, Gottes Wort zuzuhören. Aber der Engel ist für mich noch mehr. Er erzählt mir ohne Worte von dem Wert des Zuhörens. Wenn wir einander zuhören, werden wir zum Engel. Wenn wir schweigend das Leid des anderen mittragen, sind wir bereits ein Engel. Gott macht uns zum Engel, wenn wir zuhören. Gott macht uns zum Engel, wenn wir anderen Zeit schenken. Ja, Zeit, die wünsch ich mir: Zeit, um einfach nur da zu sitzen und zuzuhören. Gott hat diese Zeit. Er hört mir zu. Immer. Er gibt mir nicht immer eine laute Antwort, aber er sitzt da und hört mir zu. Das tut mir gut.

Ihr Hartmut Görler

PHP Code Snippets Powered By : XYZScripts.com