Frühling im Frost






Wir erleben im Moment spannende Zeiten. Nein, ich meine nicht die letzten beiden Wochen vor der Bundestagswahl. Auch nicht die unruhigen Zeiten, in denen sich Kirche gerade befindet. Nein. Ich meine den Wechsel von Winter zum Frühling. Morgens sind die Gräser noch mit Frost überzogen. Im Lauf des Tages tauen sie auf, bevor sie in der Nacht wieder unter der Kälte erstarren.
Wie gut, dass wir in unseren Breitengraden vier Jahreszeiten haben. Sie sind Sinnbild für unser Leben. Denn winterliche Zeiten erleben wir auch persönlich. Von einer frostigen Atmosphäre sprechen wir und meinen zum Beispiel ein unterkühltes Miteinander. Ein anderes Mal sprechen wir davon, dass es uns eiskalt den Rücken runter läuft, und wir meinen irgendetwas, das Entsetzen, Ekel und Ablehnung in uns auslöst. Frostige Zeiten. Die täglichen Temperaturschwankungen sind ein Hoffnungszeichen. Am frühen Morgen noch von Frost umgeben. Wenige Stunden später ist alles aufgetaut. Gott hat diesen Rhythmus erschaffen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Das gilt für den Jahreslauf, aber auch für den Wechsel unserer verschiedenen Lebensphasen.
Erfrorener Christ.
Eisige Zeiten.
Die Kälte hat Einzug gehalten.
Der Frost lässt die Natur erstarren.
Der Winter hat uns fest im Griff.
Noch.
Eisige Zeiten.
Menschen, die sich aus dem Wege gehen.
Geschwister, die sich nichts mehr zu sagen haben.
Gerede hinter vorgehaltener Hand.
Unterkühlte Beziehungen.
Frostige Atmosphäre.
Eisige Zeiten.
Mein Glaube an Gott auf Eis gelegt,
in kalter, untätiger Alltäglichkeit verharrend.
Die Lebendigkeit scheint zurückgedrängt.
Die Gedankenlosigkeit hat mich fest im Griff.
Erfrorener Christ. Tiefgekühlter Glaube.
Eisige Zeiten.
Es ist ein Ros entsprungen,
und hat ein Blümlein bracht
mitten im kalten Winter.
Hoffnung im Eis.
Frühling im Frost.
Ein Hauch von Wärme in der Kälte.
Neues Leben in der Starre.
Blüh auf, erfrorner Christ.
Ein frühlingshaftes Erwachen wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Hartmut Görler