Das Wort zur Wochenmitte

Nein, das ist nicht der Turm von St. Viktor, sondern von St. Martini in Estebrügge im Alten Land. Foto: Claudia Bitter

Zeitansage 

Vom Fluss steigt der Nebel hoch – an dem Morgen ist die „Skyline“ am anderen Ufer im Grau verborgen. Auch der Kirchturm. Meine Augen suchen ihn beim Blick aus dem Ferienhaus am Fluss. 
Langsam kämpft sich die Sonne durch den Nebel – lässt eine goldene Zeitansage sehen. Zehn nach acht.

Im Nebelmonat November sieht das so aus – und auch sonst gerade – im Jahreslauf, im Leben, in der Weltgeschichte. Auch da wäre ich froh, wenn sich der Nebel langsam lichtete. Oder finden Sie die Zeiten gerade nicht auch undurchsichtig? Als wäre man im dichten Nebel unterwegs…

Der Jahreslauf hat jetzt graue Tage für uns. Kälte geht mir ins Gemüt – und auch in die Atemwege. Erkältungszeit eben. Ob die Sonne sich wohl durchkämpft? Wenn, dann beginnt alles zu leuchten – die goldenen Birkenblätter und auch meine Miene. Goldene Minuten – ich sollte sie im Sinn bewahren, mich mit ihnen wappnen gegen das Schmuddelgrau.  

Der Jahreslauf erinnert mich an Abschiede und Verluste, an Einschnitte im Leben – jetzt im November. Auch da viel Nebel. Überhaupt, wenn alles noch nicht so lange her ist, wenn wir liebe Menschen gerade erst loslassen mussten. Ob goldene Zeiten mit ihnen auch goldene Erinnerungen werden? Ob sie hineinleuchten in die undurchsichtige Trauer. Ob sie Trost werden?

Dazu die undurchsichtigen Zeiten in der Weltgeschichte. Was kommt da noch auf uns zu? Nachrichtensendungen zeigen viel Stochern im Nebel. Wer ist verlässlich? Wem geht es nicht nur um eigene Macht, eigenes Weiterkommen, sondern um das Wohl aller? Wem kann man sich anvertrauen? Keine leichten Fragen in undurchsichtigen Zeiten. Und manches braucht Geduld, muss reifen, muss sich entwickeln – ohne dass wir etwas tun können. Auch das nicht einfach. Wer hat schon Geduld? 

Und wir als Kirche, als christliche Gemeinde? Können wir in dieser Zeit golden leuchten? Haben wir Kraft für eine Zeitansage in undurchsichtigen Zeiten? 

Klar: auch wir kennen die mutlosen Zeiten. Eins aber können wir sagen: Wir suchen nicht nur in uns selbst, nicht nur bei vermeintlichen Lichtgestalten im Land und in der Welt – wir suchen jenseits menschlicher Kräfte nach Antworten bei Gott. Er hat alles in der Hand. 

So lese ich in den Psalmen: Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen. (Psalm 31, 15-16)

Meine Zeit in Gottes Händen – Gott ist meine Hoffnung!

Mir sagt das: 

  • Das Undurchsichtige ist normal – ich habe nicht immer den Überblick, den Durchblick, nicht selbst alles in der Hand – auch kein anderer Mensch. Das Novembergefühl ist ganz normal. 
  • Und: Ja, ich komme an meine Grenzen, aber ich habe Hoffnung. Nicht, weil ich selbst die Lösung finde, die Antwort weiß. Nicht, weil irgendein Mensch für mich alles klärt und weiß und Lösungen schaffen kann. Sondern, weil ich mich Gott anvertrauen kann. Das ist die Zuversicht – auch im Novembergrau. 

Gott ist meine Hoffnung, auch wenn ich zuerst nicht erkenne, wie. Mein Trost und meine Hoffnung werden sich zeigen, wenn ich Geduld habe, wenn ich offen bin, wenn ich mich anvertraue. Und wenn ich aufmerksam bin für die Mutzeichen und Hoffnungsschimmer, sie in mir ansammle und zur Zuversicht werden lasse. Gottes Hoffnungszeichen brechen plötzlich durch das Grau wie die Sonne im Novembernebel. Das gute Gespräch, der Moment des Zusammenhaltens, der Augenblick des Haltfindens, der Hoffnungsschimmer zur Orientierung, die Farbe gegen das Grau. Alles zusammen wird zur Zuversicht. Gottes goldene Zeichen für mein Leben. 

Meine Zeit in Gottes Händen – ich halte inne, sauge das goldene Licht ein. Bin nicht allein.   

Dass er bei uns ist – das ist seine Zeitansage um zehn nach acht und wann auch immer. 

Ihre Pfarrerin Claudia Bitter 

Meine Zeit…

Meine Zeit steht in deinen Händen:
Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.

Du gibst Geborgenheit, 
du kannst alles wenden. 
Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir. 


Sorgen quälen und werden mir zu groß.
Mutlos frag ich: Was wird morgen sein?
Doch du liebst mich, du lässt mich nicht los. 
Vater, du wirst bei mir sein. Meine Zeit…

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb
nehmen mich gefangen, jagen mich.
Herr, ich rufe: Komm und mach mich frei!
Führe du mich Schritt für Schritt. Meine Zeit…

Es gibt Tage, die bleiben ohne Sinn.
Hilflos seh ich, wie die Zeit verrinnt.
Stunden, Tage, Jahre gehen hin 
und ich frag, wo sie geblieben sind. Meine Zeit…