Das Wort zur Wochenmitte

Foto: Jannis Graf

Liebe Leserin, lieber Leser, 

interessieren Sie sich für Fische? Im Aquarium oder beim Angeln? Ich habe mit beidem nichts am Hut und das Meer ist für mich höchstens als Reiseziel interessant. 

Kürzlich besuchte ich trotzdem die Ausstellung Planet Ozean im Gasometer in Oberhausen. Ich freute mich mehr auf einen schönen Tag in Oberhausen als auf die Details der Unterwasserwelt.

Die Ausstellung beginnt mit der Überlegung, dass die Erde eigentlich Ozean heißen müsste – daher auch der Titel Planet Ozean. Die Oberfläche unseres Planeten besteht schließlich zu etwa 70 Prozent aus Meeren. Nur der viel kleinere Teil der Erde ist Land. 

Ein Audioguide führt durch die Ausstellung und erklärt die auf riesige Leinwände gedruckten Schnappschüsse von allerlei Meeresbewohnern. Mein Interesse an den einzelnen Meerestieren hielt sich in Grenzen. Mich begeisterte vor allem die Gesamtaussage der Ausstellung, die durch die einzelnen Exponate deutlich wurde: Der Mensch auf der etwa 30-prozentigen Landfläche der Erde ist der eigentliche Exot auf diesem Planet Ozean. 

Den meisten Menschen erscheint das Leben in den tiefsten Tiefen der Meere gruselig und karg. Die Lebewesen dieser Gegenden empfindet man als hässlich und bizarr. 

Dabei spielt sich das meiste Leben eigentlich in unseren Ozeanen ab. Dort, wo das Leben einst ja auch entstand. 

Die Menschen sind eigentlich die Merkwürdigen, die im Laufe der Evolution Lungen ausgebildet haben, um dauerhaft an Land leben zu können. 

Diese Perspektive der Tiefsee verändert den Blick auf das menschliche Leben. Dazu passt, dass die Tiefsee als noch wenig erforscht gilt. Scheinbar liegt das menschliche Forschungsinteresse zunächst in seinem eigenen Dunstkreis.

Während ich durch den Gasometer schlendere, denke ich: Es ist wie immer – man nimmt sich ja doch immer selbst als Maßstab aller Dinge, auch wenn man weiß, dass das nicht stimmt. 

Wieder zu Hause angekommen frage ich mich, ob mein Glaube eine Hilfe gegen diese Selbstbezogenheit ist. Nicht immer, denke ich. Auch ich sehe unsere Form des christlichen Glaubens und meinen Lebensstil häufig als das Normale an. Obwohl ich eigentlich weiß, dass meine bestimmte Form des evangelischen Glaubens und meine Art hier in Deutschland zu leben nur eine Möglichkeit ist zu glauben und zu leben. Die Jesusdarstellungen hierzulande zeigen zumeist einen westeuropäisch aussehenden Mann, als wäre Jesus damals nebenan auf dem Wuckenhof zur Welt gekommen.

HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter. Da ist das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt’s ohne Zahl, große und kleine Tiere.

So ruft der Psalmbeter im Psalm 104. 

Der Psalmist lobt Gott und sieht sich selbst als Menschen im großen Zusammenhang von Gottes ganzer Schöpfung. Der christliche Schöpfungsglaube hat immer das große Ganze im Blick. In dieser Hinsicht hilft der Glaube, mich selbst und meine eigene Perspektive nicht immer als den Maßstab und das Normale anzusehen. Als Mensch bin ich ein Teil von Gottes Schöpfung. Und sei es, wenn ich als zweibeiniges, mit einer Lunge ausgestattetes Landwesen im Gasometer in Oberhausen in die Augen eines komischen Tiefseewesens schaue.

Man könnte auch sagen, zwei Geschöpfe Gottes schauen sich an.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Jannis Graf