Das Wort zur Wochenmitte

Foto: Jannis Graf

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. 1. Mose 1,27

Liebe Leserin, lieber Leser, 

dieser Vers aus dem ersten Schöpfungsbericht der Bibel sagt mir, dass Ich als Mensch ein Geschöpf Gottes bin. Als solches lebe ich nicht aus mir selbst heraus, sondern bin aus etwas Größerem entstanden. Ich glaube, mein Leben ist mehr als nur ein Dominostein in der naturgemäß ablaufenden Evolution. Ich bin nicht nur das Ergebnis eines Evolutions- und Fortpflanzungsprozesses, sondern wie jeder Mensch ein Geschöpf Gottes. Dass ich lebe, verdanke ich nicht mir selbst.

Am letzten Samstag war ich im Ruhrstadion in Bochum auf Herbert Grönemeyers Jubiläumskonzert. Ein großartiges Konzert!

Sein Liebeslied „Morgen“ fragt singend nach der Beständigkeit von zwischenmenschlicher Liebe: 

Wirst Du morgen noch mit mir tanzen,
bleibst Du in Deiner Liebe fest
wirst du Dich für mich verwenden
bestehen wir zusammen jeden Test

Untersuchst Du mit mir Horizonte
widmest Du mir Dein Gedicht
sind die Punkte abgeschritten
löschst Du das Licht

Wirst Du Dich für mich verschwenden
und vergisst einfach den Rest
Wirst Du immer bei mir liegen
solange man uns beide lässt

Ein wunderschönes Liebeslied. Poetisch werden Fragen an die Beständigkeit einer Liebesbeziehung gestellt.

Die letzte Frage ist mir die liebste: „Wirst du immer bei mir liegen, solange man uns beide lässt.“ Sie gefällt mir nicht nur wegen der romantischen Vorstellung, immer beieinander zu liegen, sondern wegen des Nachsatzes: „solange man uns beide lässt.“

Wer mit diesem man gemeint ist, bleibt im Lied offen. Nur eines steht fest: Es ist nicht der Fragesteller selbst und auch nicht die adressierte zweite Person. Es heißt nicht: „solange du und ich wollen“, sondern: „solange man uns beide lässt.“ 

Für den Fragesteller ist ein unbestimmter Dritter am Gelingen der Liebe beteiligt. Die Zukunft, das „Morgen“, seiner Liebe ist für den Fragesteller nicht ausschließlich eine Sache zwischen den beiden Liebenden. 

Das eigene Leben hängt immer noch an mehr als nur an mir selbst und meinen Liebsten. So verstehe ich Herbert Grönemeyers Liedzeile. Gerade durch diese Zeile bekommt der Song für mich seine besondere Tiefe und seinen emotionalen Ernst. 

An wen Herbert Grönemeyer bei diesem man gedacht hat, als er den Song geschrieben hat, das weiß ich nicht. Aber das ist nicht entscheidend. Für mich trifft sein Song mit dieser Zeile genau meinen Glauben an die Schöpfung, an den doppelten Boden meines Lebens. Das man ist für mich Gott, mein Schöpfer. Ich kann in meinem Leben lachen, leben, lieben und Dinge selbst gestalten und schaffen. Aber bei alledem weiß ich auch: Ich bin ein Geschöpf Gottes, das sein Leben seinem Schöpfer verdankt. Das gibt mir Souveränität im Alltag: Ich muss mich nicht immer ernster nehmen als es sein muss. Und es gibt mir Gelassenheit und Trost in schwierigen Situationen. Dann denke ich daran: Gott ist mein Schöpfer, mein doppelter Boden. Ich bin sein gewolltes Geschöpf und ich kann nicht tiefer fallen als in seine Hand. 

So kann ich von ihm behütet und frohen Mutes ins „Morgen“ gehen. Solange man mich eben lässt – solange Gott mich lässt.

In diesem Sinne: Glück auf!

Ihr Jannis Graf