Das Wort zur Wochenmitte

Foto Christoph Harmata – Benefacta

Liebe Leserin,
lieber Leser,

„Gott habe ich dort oben nicht gefunden!“ Diesen Satz soll Juri Gagarin gesagt haben, als er 1961 als erster Mensch aus dem Weltraum zurückkehrte.

Das Fest der Himmelfahrt Christi drückt genau das Gegenteil aus: Jesus Christus, der Sohn Gottes, sitzt zur Rechten Gottes im Himmel – so sagt es das apostolische Glaubensbekenntnis.

Die Vorstellung, Gott an einem bestimmten Ort im Himmel zu lokalisieren und Jesus Christus zu seiner Rechten, widerstrebt mir. Der Himmel ist doch kein Ort, zu dem man einfach so aufschaut und Gott findet. 

Schon die Jünger werden direkt nach der Himmelfahrt Jesu von zwei Engeln mahnend gefragt: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht hinauf zum Himmel?!“ (Apg 1,11)

Im Deutschen ist die Sache mit dem Himmel besonders schwierig, weil es nur das eine Wort gibt. Das Englische unterscheidet immerhin zwischen sky und heavenSky für den geschaffenen Himmel und das All, durch das auch Gagarin einst flog.  

Heaven dagegen als der Herzensort und die Ewigkeit – eben der Himmel Gottes.

Auch Luther kennt diese Unterscheidung. Zum geschaffenen Himmel kommentiert er: „Gott ist dort oben nicht zu finden, man braucht gar nicht erst hinaufzuklettern.“

Der Himmel Gottes hat für ihn keinen Ort: „Die Rechte Gottes ist überall.“

Im geschaffenen Himmel können wir Gott und den aufgefahrenen Christus nicht finden. Dort ist Gott für uns unsichtbar. 

Für Luther weist der Blick in den geschaffenen Himmel über uns wieder zurück auf die Erde: Um Gott zu erkennen, muss man nicht in den Himmel klettern, sondern in die Krippe von Bethlehem und auf das Kreuz von Golgatha schauen. Gott lässt sich in unserer Welt finden – im Leid eines Kranken, aber auch im Lachen eines Kindes, da ist Gott ganz nah bei uns. Er ist schon mitten unter uns – dort, wo das Leben spielt: 

Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde! 

Deshalb höre ich am Himmelfahrtstag auf Juri Gagarin und werde nach dem Himmelfahrtsgottesdienst in Holzen nicht in den Himmel schauen, sondern eine Wanderung durch unsere schönen Ruhrwiesen unternehmen. Vielleicht treffe ich dort ja den einen oder die andere von Ihnen – und vielleicht sogar Gott!

Ihr Jannis Graf

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