Das Wort zur Wochenmitte

Der verschmähte Esel

Liebe Leserin, Lieber Leser,

„Papst Franziskus fährt gemütlich mit dem Hollandrad zum Petersdom“, so meine Vorgabe an die künstliche Intelligenz des Grafikprogrammes Paint. Doch meine Hoffnung, nun ein Bild in Art des chic in weißen Daunenmantel gekleideten Papstes zu erhalten, erfüllte sich nicht einmal ansatzweise (siehe Foto). Mit einer besseren KI-Software hätte man sicher professionellere Ergebnisse erzielt. Aber letztlich ging es mir um etwas anderes:

Der Esel, ein in der Bibel zentrales Tier (Bileams Esel, der Weg nach Bethlehem, die Flucht nach Ägypten, Jesu Einzug nach Jerusalem) erfährt in unserem Kulturkreis NICHT die Wertschätzung, die er verdient, im Unterschied zu manch anderen Tieren (der Wal von Jona, die Kamele der drei Könige, der krähende Hahn bei Petrus, der Fisch als Zeichen der Christenheit). Statt dessen kam er höchstens als Drahtesel zu bescheidenem Ruhm. Er muss als Verspottung herhalten: sein Eselsohr wird verschmäht, und der Verweis auf seine Dummheit und Störrischkeit ist gar diskriminierend.

Angesichts der Wertschätzung, die der Esel etwa von Jesus erfährt, und seiner heutigen Missachtung werde ich hellhörig: Könnte es sein, dass wir Menschen uns bewusst nicht mit einem „Aller-Leute-Tier“ anfreunden wollen?! Dass wir bewusst ein Pferd attraktiver finden?! Dass wir lieber Ferrari fahren wollen als einen kleinen VW oder gar einen Dacia ?! Weil es unser Ansehen fördern würde?! Jesus war der Esel wertvoll und wichtig – auch um ein Mensch des Volkes zu sein. Heute misslingt einem Minister kläglich der Versuch, die Nähe zu einer Berufsgruppe durch den Hinweis herstellen zu können, er habe selbst schon einen Pferdestall ausgemistet. Ihn dafür jedoch einen Esel zu nennen, würde auch mich dieses wunderschöne Tier diskriminieren lassen.

Es ist entlarvend, dass wir uns zu schade sind, uns mit einem angeblichen „Aller-Leute-Tier“ abzugeben oder gar anzufreunden. Dabei ist der Esel ein wunderbares und hochbegabtes Geschöpf Gottes. Der Seher Bileam musste im Alten Testament demütig feststellen, dass sein Esel wesentlich klüger ist als er selbst, und dass sein Esel ihm das Leben gerettet hat.

Als Christinnen und Christen, aber auch als Menschen und Mitmenschen würde es uns gut tun, mehr über Bescheidenheit, über Achtsamkeit und vor allem über die Wertschätzung des nur scheinbar Gewöhnlichen nachzudenken.

Auch wenn uns nicht nur in dieser Hinsicht die Esel eindeutig überlegen sind: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Ihr Achim Dreessen