Liebe Leserin,
lieber Leser!
Es weihnachtet sehr. Überall. Wir sind noch mitten im Advent, aber auch ich denke schon viel an Weihnachten, und was es mir hier und heute bedeutet. Besonders der Anfang von all dem beschäftigt mich.
Ja, bevor es mit den Ereignissen um Jesu Geburt so richtig losgeht, rückt ein junges Mädchen aus einfachen Verhältnissen in den Blick der Geschichte, oder sollte ich sagen: in den Blick Gottes. Sie mag etwa 14 Jahre alt gewesen sein, hieß Miriam und wohnte in Nazareth. Und wir wissen noch das hier: Sie war einem Mann namens Josef versprochen. Damals bahnte man Hochzeiten oft langfristig an auf dem Wege von familiären Absprachen.
Und dann hatte Mirjam, griechisch Maria, ein Gipfelerlebnis. So nennen Psychologen heute ein besonders intensives Erleben, das oft spirituelle Dimensionen hat, zum Beispiel das Gefühl einer großen Verbundenheit mit Gott oder allem Leben.
Die biblische Überlieferung erzählt es so: Miriam wird von einem Boten Gottes aufgesucht, einem Engel. Und der hat eine Botschaft für sie. Er sagt ihr, dass sie durch das Einwirken Gottes schwanger und einen Sohn zur Welt bringen wird. In ihm wird Gott selbst erkannt werden.
Dabei wird nicht verhehlt, dass Miriam ziemlich erschrocken war.
Wem begegnet schon ein Engel?!
Wer darf Gottes Stimme hören?!
Welcher kleine Mensch wird auf einmal groß in Gottes Augen?!
Als sie über den ersten Schrecken hinweg war, so wird berichtet, brach sich eine tiefe Wertschätzung und Freude in ihr Bahn. Vielleicht hat sie getanzt, ganz sicher hat sie gejubelt, und sie hat in Gegenwart ihrer Kusine ein Lied angestimmt. Da sie womöglich keine Dichterin war, sang sie Worte eines wundervollen alten Liedes, das sie aus dem Gottesdienst kannte, Gesangbuch Nr. 113. Genauer gesagt Psalm 113, denn die Psalmen waren das Liederbuch der damaligen Israeliten. Ich will aus diesem Lied nur 3 Verse zitieren, damit wir verstehen, dass Miriam durch und durch beglückt war.
Ich lobe Gott aus tiefstem Herzen.
Lukasevangelium Kapitel 1 Vers 46a-48
Alles in mir jubelt vor Freude
über Gott, meinen Retter.
Denn er wendet sich mir zu,
obwohl ich nur seine unbedeutende Dienerin bin.
Für das junge Mädchen Miriam war der Himmel aufgegangen. Sie war nur ein kleiner Mensch unter unzähligen anderen kleinen Menschen, und doch durfte sie Gott begegnen.
So ähnlich fühlen sich die vielen Menschen heute, die ein Gipfelerlebnis haben. Sei es in der Natur, sei es in der Kirche, sei es in aller Intimität der Partnerschaft – um die drei Haupträume zu nennen, in denen Gipfelerlebnisse heute vorkommen – können wir erleben, dass sich eine Tür in den Himmel öffnet.
Wer meditiert, ist näher dran.
Wer echte Ruhe zulässt, bereitet sich darauf vor.
Wer tief betet, hat einen Schlüssel dafür.
Aber es kann uns allen geschehen. Und dann spüren wir Gott so nah wie noch nie. Dann erleben wir eine Verbundenheit mit allem, die den Alltag übersteigt. Dann wissen wir irgendwie, dass alles einen Sinn hat. Und dann gebiert Gott in uns etwas Neues.
Möge er Dich auf diesen Gipfel führen, und wenn es nur einmal im Leben ist.
Möge er Dir die Tür zum Festsaal öffnen.
Möge es Weihnachten werden auch in Deinem Herzen.
Und Maria wird unsere Schwester sein.
Ihr Tom Damm