Das Wort zur Wochenmitte

Perspektivwechsel

Eine Steinfigur am Uferrand – Was denken Sie: Geht der Blick zurück, geht der Blick nach vorn, geht der Blick nach oben. Kopf hoch! 

Ich lasse mich inspirieren. Jede Blickrichtung ist spannend. 

Der Blick geht zurück – ein Weg liegt hinter mir, ein Schritt ist getan, eine Entscheidung getroffen. – Wie fühlt sich das an? Bin ich jetzt am richtigen Ort angekommen? Oder muss ich mich noch einmal auf den Weg machen? – Ich schaue auf den Weg, der hinter mir liegt, denke an den Schritt, den ich gemacht habe. Das war nicht leicht, hat Kraft gekostet, zuletzt musste ich ins Ungewisse gehen. Eigentlich habe ich ja alles vorher geplant, aber die letzten Schritte konnte ich nicht planen. Da musste ich mich auf meine Intuition verlassen, sogar einen Sprung ins Ungewisse machen. Mir sind Menschen begegnet, mit denen ich mich ausgetauscht habe, ich habe Einblicke gehabt, die ich nicht vorhersehen konnte. Beim Blick zurück kommt mir das alles wieder in den Sinn.

So kenne ich das auch im Leben. Alle, die mal eine neue Stelle angetreten haben, in eine neue Stadt gezogen sind, auf unbekannte Menschen zugegangen sind und mit ihnen den Kontakt aufgenommen haben – alle können das so beschreiben. Beim Blick zurück fällt vieles auf, was niemand vorhersehen konnte. Beim Blick zurück lässt sich erst sagen, was sich als gut und richtig erweist und was nicht. Beim Blick zurück kann ich erst sagen, welches Ereignis mich ganz durcheinander gebracht hat. Damit könnte ich nicht rechnen. Der Blick zurück zeigt mir da, ob meine Reaktion richtig war. Vielleicht lerne ich für die  Wege die vor mir liegen. 

Der Blick geht nach vorn – hinaus in die Weite, hinaus aufs Meer. Wege liegen vor mir – wohin werden sie mich bringen? Will ich dahin, muss ich dahin? Wie soll ich dahin kommen? Zu Fuß über das Watt? Schaffe ich das überhaupt? Oder muss ich schwimmen, gibt es ein Boot? Was muss ich mitnehmen, worauf muss ich mich einstellen? Brauche ich Regenzeug, Gummistiefel, Proviant? Wohin geht mein Weg? Ich habe viele Fragen in mir.

Von hier bis zum Horizont kann ich schon manches erkennen: Wasser, Sandbänke, Priele, andere Ufer, Warften auf den Halligen gegenüber. Ganz weit entfernt im Dunst eine Windmühle, ein Leuchtturm.  Das sind Hinweise für mein Planen.

Vielleicht steht neben mir ein Mensch, der mit mir hinausblickt. Mit ihm kann ich Pläne schmieden und darauf schauen, was wir brauchen, damit wir den Weg schaffen. 

So kenne ich das im Leben auch. Der Blick nach vorn zeigt mir immer nur einen kleinen Abschnitt. Und den kann ich planen. Muss aber auch damit rechnen, dass etwas dazwischenkommt. Beim Blick nach vorn kann ich vorsichtig sein und mir nicht zu viel vornehmen. Oder Großes planen und große Erwartungen haben. Jede und jeder hat beim Blick nach vorn eine andere Haltung.

Der Blick geht nach oben – Kopf hoch! Ich sehe die Wolken, wie sie ziehen. Ich sehe die Vögel in perfekter Formation. Ich sehe auf und hebe den Blick. Was mich niedergedrückt hat, ist nicht weg, aber ich kann wieder aufblicken, lasse mich nicht mehr fesseln von allem, was mich runterzieht. 

Der Blick nach oben staunt. Der Blick nach oben ist der zum Licht, zur Sonne. Der Blick nach oben sieht, dass sich was bewegt. Der Blick nach oben sieht auch, was da auf mich zukommt – die schwarze Wolke oder so. Der Blick nach oben nimmt die Umgebung wahr. 

Und der Blick nach oben stellt fest, wie klein ich bin vor dem großen Himmel. Auch das. 
Da kann ich Gott um seinen Segen bitten für meine Wege. 

Ein Perspektivwechsel lohnt sich. Diese Erkenntnis finde ich auch in den Psalmgebeten. 

Der Herr behütet dich;
der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!

Psalm 121, 5-8

Seien Sie wohl behütet!

wünscht 
Ihre Pfarrerin
Claudia Bitter