Das Wort zur Wochenmitte

Am vergangenen Sonntag: ein ungewöhnliches Bild in der St. Viktor Kirche. Fünf Musikerinnen und Musiker stehen im Altarraum und singen. Auf den ersten Blick – so scheint es – kommen sie aus einem fremden Land. Afrika? Asien? Beim späteren Kirchcafe stellt eine Dame lobend fest: „Sie sprechen aber gut Deutsch!“, „Ja“, antwortet Pastor Dinesh Sinnathurai. „ich bin ja auch in Bergisch Gladbach geboren!“.

Auf Einladung von Pfarrer Görler sind Mitglieder der Maranatha-Gemeinde zu Gast. Männer und Frauen, deren Eltern oder Großeltern ursprünglich aus Sri Lanka nach Deutschland gekommen sind. Tamilinnen und Tamilen. Und: evangelische Christen! Der eine oder andere ist irritiert. Sind das nicht die, die einmal im Jahr mit bunten Kleidern durch die Straßen von Schwerte ziehen? Auch das können Tamilinnen und Tamilen sein. Aber es gibt halt tamilische Hinduisten und tamilische Christen, und im ehemaligen Paul-Gerhard-Haus feiern evangelisch-tamilische Christen evangelische Gottesdienste. Die jungen Leute in der St. Viktor Kirche singen begeistert ihre Lieder und laden zum Mitsingen ein: „Ich kann nur staunen, Herr, und ich sing’, denn du bist gut.“ Kaum ist das eine Lied zu Ende, beginnen sie schon ihr zweites: „Herr, nie begreife ich die Last, die du am Kreuz getragen hast“. In ihren Gottesdiensten singt die Gemeinde eine gute halbe Stunde solche Lieder, begleitet von einer Band und unterstützt von einer Gesangsgruppe.

Auf die Frage hin, was denn die Maranatha-Gemeinde als evangelische ausweist, antwortet der studierte Pastor Sinnathrai: „Sola scriptura – allein die Bibel zählt, und Sola gratia – allein die Gnade Gottes ist entscheidend“. „Und was unterscheidet uns zwei evangelische Gemeinden?“, hakt Pfarrer Görler nach. Pastor Sinnathurai denkt nach. „Unsere Predigten sind länger“, lacht der tamilischen Pastor mit deutschen Wurzeln, „unter einer ¾ Stunde läuft bei uns nichts. – Und wir taufen nur Jugendliche und Erwachsene, die bewusst an Christus glauben wollen. – Und wir bekommen keine Kirchensteuern und müssen alles durch Spenden selbst finanzieren!“ Ein lebendiger Gottesdienst geht zu Ende. Noch lange denkt Pfarrer Görler darüber nach. „Eine bewegende ökumenische Begegnung“. So lautet schließlich sein Fazit.

Ökumene. Das Wort Ökumene drückt landauf landab die Gemeinschaft von unterschiedlichen Konfessionen und Religionen aus. Zurück geht das Wort Ökumene auf das altgriechische Wort oikos, Haus. „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“, soll Jesus einst gesagt haben, nachzulesen im Johannesevangelium, Kapitel 14. Und der Evangelist Lukas hat folgendes Jesus-Zitat festgehalten: „Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“. In dem Mehrfamilienhaus Gottes gibt es viele unterschiedliche Wohnungen. Die Wohnungen der verschiedenen Gemeinden in Schwerte mögen unterschiedlich aussehen, sind vielleicht unterschiedlich eingerichtet. Aber wir wohnen gemeinsam in Gottes Haus. Gott ist unser gemeinsamer Vater und Hausherr. Jesus Christus ist unser gemeinsamer Mitbewohner. Der Heilige Geist ist der gemeinsame Wind, der, wenn wir Fenster und Türen öffnen, durch das Haus zieht. Und der letzte Sonntag hat gezeigt: es lohnt sich, die eigene Wohnung mal zu verlassen und neugierig zu schauen, wie es andere machen. Der Glaube der Nachbarn stärkt den eigenen Glauben und erinnert an den Vater, der alle zusammengeführt hat.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Pfarrer Hartmut Görler