Perspektivwechsel
Liebe Leser*innen,
mir ist vor einiger Zeit aufgefallen, dass ich, wenn ich zu Gott bete, dazu tendiere, direkt mit all den Bitten loszulegen, die mir auf dem Herzen liegen: Bitte Gott, mach dass das und das passiert, bitte sei bei dem, bitte hilf der, bitte sei morgen an meiner Seite bei… und so weiter. Bitten über Bitten. Grundsätzlich finde ich das natürlich nicht problematisch, Gott um Dinge zu bitten. Es ist mir sogar ganz wichtig, dass Gott jemand ist, der sich für das, was mir auf dem Herzen liegt, interessiert: Ein Gott der zuhört, der Anteil nimmt, der Gebete erhört, der Wunder tun kann, selbst dann, wenn alles aussichtslos scheint. Es tut mir daher gut, ihm all die Dinge im Gebet zu bringen, meine Ehe, meine Freundschaften, meine Familie, Menschen von denen ich weiß, dass es Ihnen gerade nicht gut geht.
Zugleich hat es mich aber auch nachdenklich gemacht. Was ist das für eine Beziehung zu Gott, in der ich Gott immer nur um Dinge bitte. Ist Gott für mich manchmal wie so eine Wunschmaschine, wo ich oben Wunschzettel reinwerfe und dann das Ergebnis, das Wunder erwarte?
Es gibt ein Gebetsanliegen, dass mir schon lange auf dem Herzen ist, seit Jahren bete ich jetzt dafür, doch bisher hat sich nichts getan. Mit der Zeit hat es mich immer trauriger gemacht, warum hört Gott mein Gebet nicht? Warum passiert nichts? Ein Teil von mir denkt: Ich will wie die Witwe in der Bibel sein, die den Richter so lange nervt ihr rechtzusprechen, bis er es schließlich tut. Ich will Gott so lange nerven, ihn so oft bitten, bis er mein Gebet erhört. Aber ein anderer Teil von mir fragt sich: Habe ich wirklich ein Recht auf das, worum ich Gott bitte?
Ich habe viel darüber nachgedacht und mir ist immer mehr bewusst geworden, wie viel mehr Zeit ich damit verbringe auf das zu schauen, was ich nicht habe, als auf all das Gute in meinem Leben. Viel seltener bedanke ich mich bei Gott, für all das Gute, für seinen Segen in meinem Leben.
Seitdem mir das klargeworden ist, danke ich Gott abends immer zuerst für all das Gute in meinem Leben. Wenn ich einmal loslege, fallen mir immer sehr viele Dinge ein. Erst in einem zweiten Schritt bitte ich Gott um das, was mir noch auf dem Herzen liegt.
Seitdem ich das tue, fühlt sich mein Leben gesegneter an. Nicht, weil Gott mehr Gebete erhört, sondern weil sich meine Perspektive verändert hat. Indem ich überlege, wo ich Segen in meinem Leben erfahre, erkenne ich immer wieder, dass es mir in vielerlei Hinsicht sehr gut geht. Dann freue ich mich über das, was ich habe. Dadurch fällt es mir zudem leichter, Gott zu vertrauen, dass er es gut mit mir meint. Er sorgt ja jetzt schon für mich und er wird auch weiterhin für mich sorgen, selbst wenn er am Ende andere Pläne für mich hat.
Amen.
Ihre Anthea Haacke