Das Wort zur Wochenmitte

In dieser Zeit zwischen den Kirchenjahren schaue ich schon nach vorn – bald ist Advent. 

Eigentlich möchte ich sagen: Wir kennen ihn ja, den Advent. Er kommt mit seinen Bräuchen, mit seinen leckeren Süßigkeiten, mit den kleinen und großen Kerzen, mit den besonderen Tagen, mit Adventskalendern und Nikolaus, mit Wunschzetteln und Weihnachtseinkäufen, mit Weihnachtsmarktbesuchen, mit der Vorfreude auf Weihnachten. Wir kennen ihn ja, den Advent. 

Und eigentlich muss ich jetzt sagen: Was dieser Advent bringt, wissen wir nicht. Mit diesem Advent ist es wie mit dem im letzten Jahr. Viele Bräuche und Gewohnheiten, auf die wir uns freuen, werden wir auch in diesem Jahr nicht so unbefangen oder vielleicht auch gar nicht erwarten können. Ich freunde mich nur mühsam mit diesem Gedanken an. Eine fröhliche Zeit, eine Zeit des Wartens und Besinnens, eine Zeit, in der es auch mal knistert und spannend ist, eine Zeit der Vorbereitung – die kann ich wohl nicht erwarten. Jedenfalls nicht so ritualisiert wie sonst. 

Der Advent – so kennen wir ihn nicht, kennen ihn nicht mit so viel Ungewissheit, kennen ihn nicht ohne die Bräuche und Rituale und Treffen. Auch eigentlich nicht so ganz ohne Fahrplan. 

Eins der Adventslieder hat eine ganz anderer Bilderwelt als wir sonst mit Advent und Weihnachten in Verbindung bringen. Ein Schiff, das ankommt, das ankert, das gefüllt und geladen ist, das wird in dem Lied besungen. Jesus, der Sohn Gottes, ist das Schiff und ist die Ladung und wird gebracht durch dieses Fest. 

Es kommt ein Schiff,
geladen bis an sein‘ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewigs Wort.

Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein teure Last;  
das Segel ist die Liebe, 
der Heilig Geist der Mast. 

Der Anker haft‘ auf Erden, 
da ist das Schiff an Land.
Das Wort will Fleisch uns werden, 
der Sohn ist uns gesandt. 

Ich stelle zu diesem Lied für mich ein Bild von einem Schiff, auf dem ich schon oft gefahren bin – die Fähre Hilligenley, die bald auf der Hallig Langeness anlegt. Wenn ich damit unterwegs bin, weiß ich, dass Ankunft- und Abfahrtzeiten im Fahrplan eigentlich nur ungefähre Angaben sind. Die Fähre ist tidenabhängig, braucht die Zeit, die sie braucht. Und manchmal braucht sie länger als gedacht, oder ist schneller zurück am Festland als geplant. 

Diese Fähre, die sich auch festlaufen kann auf einer Sandbank und dann noch länger braucht – ob die vielleicht ein Bild für das Schiff „Advent“ sein kann? Advent 2021 ist wie eine Fähre, die ankommt, wenn sie ankommt, ist wie eine Fähre, die nur einen ungefähren Fahrplan hat. 

Was hat die Fähre geladen? 

Gottes Wort, das mich anspricht, mir ans Herz geht, wo es ankommt.

Gottes Sohn, der mich berührt, der mich in Kontakt zu Gottes Welt bringen will, wo er ankommt.

Gottes Geist, der für mich einen Gedanken, eine Wahrheit öffnet, die mir sonst verschlossen ist, wo er ankommt. 

Die Fähre „Advent 2021“ kann mir viel bringen, kann bei mir anlanden. Nur kann ich diesmal nicht sagen: im Advent läuft das immer gleich ab, da brauche ich immer dieselben Rituale. Und dann ist es harmonisch und romantisch und heimelig. 

Vielleicht wird es in diesem Jahr einen neuen Advent geben, mit neuen Wege, über die ich erreicht werde, damit auch bei mir Weihnachten wird, bei mir Gott und sein Wort und sein Sohn und sein Geist ankommen. 

Und vielleicht geht es Ihnen genauso.

Ihre Pfarrerin Claudia Bitter