Auf und ab, auf und ab – so geht das mit dem Weben. Da sind die Längsfäden gespannt und die Querfäden werden durchgewebt – auf und ab. Jedenfalls ging das so bei meinem kleinen Webrahmen in der Kindheit. Mit dem Webschiffchen ging es auf und ab. Und immer nur den nächsten Faden nehmen. Sonst gibt es ein anderes Muster.
Wenn das Leben wie ein Stück Webteppich ist, dann stelle ich mir vor, dass bestimmte Lebensereignisse – Wechsel, Abschiede, Neuanfänge, Herausforderungen, Erfolg, auch Krankheiten und Pandemien, also bestimmte Voraussetzungen im Leben wie die Längsfäden sind und ich mich mit meinem Lebenswebfaden durch die Längsfäden webe – auf und ab. Und der Himmelsfaden webt sich mit durch – da bin ich gewiss.
Dieses Bild vom Lebenswebteppich stammt aus einer Rede des Paulus im fernen Athen:
Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns.
APOSTELGESCHICHTE 17, 27
Denn in ihm leben, weben und sind wir.
In Gott leben, weben und sein. Den Lebensfaden weben und der Himmelsfaden ist dabei. Wie tröstlich ist das im Auf und Ab des Lebens.
Eine andere kunstvolle Weberin fällt mir dabei ein. Sie wird in einer Fabel von Peter Spangenberg zum Beispiel dafür, dass alles am Himmelsfaden hängt.
Hier meine kleinen Nacherzählung:
Eine kleine Spinne lässt sich an ihrem Spinnfaden vom oberen Zweig eines Baumes fallen. Auf mittlerer Höhe schwingt sie übermütig hin und her. Der Faden reißt nicht. Sie erreicht eine Astgabel mit vielen Zweigen. Da fängt sie an ihr Netz zu weben. Immer dichter, immer kunstvoller wird es. „Was für ein tolles Netz! Da werden sich viele Fliegen und Mücken verfangen. Und Mücken und Fliegen sind nun mal meine Leibspeise. Ich werde ein tolles Leben haben!“, so denkt die kleine Spinne. Und schaut noch einmal über ihr Werk, schneidet hier und da ein Fädchen weg. Alles ist super ordentlich. „Was ist das für ein Faden, der da hoch in den Himmel geht?“ fragt sie sich. „Der ist doch für nichts nutze!“, denkt sie noch. Und Schnipp – ist der Faden ab. Und Pardauz – die ganze Herrlichkeit fällt in sich zusammen und die Spinne fällt in ihrem Netzknäuel auf den Boden. Sie hatte den Faden, von dem alles abhängt, gekappt. Fatal.
Als Ameisen kommen und sie da rausholen, macht sie sich wieder auf den Weg nach oben. Ob das neue Netz wohl wieder so kunstvoll wird? Aber eins wird sie gewiss nicht tun: Den Faden, der nach oben geht, abschneiden. Oder doch?
Ist es bei mir, bei Ihnen wie bei der Spinne? Der Lebensfaden hängt an dem Faden, der nach oben geht – an unserem Draht zu Gott. Wir weben unser Leben durch seine Längsfäden, die gespannt sind, weben es auf und ab, auf und ab. Aber wenn wir den Faden kappen, der nach oben geht, dann wird alles in sich zusammenfallen – unsere Hoffnung, unser Halt, unser Miteinander, unsere seelische Kraft.
Wohl denen, die ein paar Ameisen kennen, die sie da wieder rausholen.
So muss ich bei diesem Bild von dem Lebenswebfaden denken.
Dass Gott nicht fern ist, tröstet mich, wenn ich mich als Einzelkämpferin fühle, ganz allein bin. Dass ich meinen Lebensfaden bei ihm festmachen kann, gibt mir Halt. Da geht ein Draht nach oben. Ich spüre es im Beten, ich erlebe seinen Segen. Das ist der Himmelsfaden, den ich im Webstückmeines Lebens erkenne.
In ihm leben und weben und sind wir – was für ein hoffnungsvolles Bild.
Ihre Pfarrerin Claudia Bitter