Das Wort zur Wochenmitte

Auszeit

Manchmal spürt man erst im Nachhinein, dass auch kleine Veränderungen große Wirkungen haben. So ging es uns in diesen Tagen, als wir von einem Besuch der Schwiegereltern zurückkehrten und merkten, wie sehr wir nicht nur den Besuch an sich genossen haben, sondern auch das Übernachten auf einem kleinen und schönen Campingplatz. Gerade jetzt, wo nach längerer Zeit Kurzurlaube wieder erlaubt und auch verantwortbar sind, machen viele Menschen dankbar die Erfahrung: Es tut gut, endlich mal wieder raus zu kommen aus den eigenen vier Wänden.

Zu Hause gibt es zumeist laufend Arbeiten und gewohnte Abläufe. Sie hindern uns, den Kopf frei zu bekommen. Es braucht deshalb Orte und auch (Aus)Zeiten, um die Seele baumeln lassen zu können. Eine ähnliche Erfahrung wird wohl den großen evangelischen Kirchenliederdichter Paul Gerhardt dazu bewogen haben, im Jahre 1653 sein bekanntes Sommerlied zu schreiben. 

Geh aus, mein Herz, und suche Freud 
in dieser lieben Sommerzeit 
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier 
und siehe, wie sie mir und dir 
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben. 

Paul Gerhardt

Inspiriert wurde der Theologe und Dichter sicher von einer blühenden Landschaft in der Gegend um Mittenwalde inmitten der sonst ziemlich öden Mark Brandenburg, des „Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“. Hinausgehen, Freude suchen an deines Gottes Gaben, schauen und so reich beschenkt werden – dazu kann bereits ein Spaziergang reichen, nachhaltiger ist jedoch eine Auszeit von einigen Tagen. Auf die Entfernung kommt es dabei überhaupt nicht an, auch nicht auf ein trendiges paradiesisches Urlaubsziel. Vielmehr ist es die passende innere Einstellung, die uns dabei hilft, das was einem sonst im Alttag im Griff hat, loslassen zu können und uns innerlich zu öffnen für die kleinen und wunderbaren Schönheiten. Auf unserem Campingplatz etwa war es der Ruf eines Kuckuck, der uns schon morgens empfing und uns den Tag über begleitete, und war es ein kleiner See, an dessen Strand Kinder im Sand spielten und Jung und Alt sich am herrlichen Wasser erfreuten.

Paul Gerhardt lehrt uns zudem ein „geistliches Sehen“. Die Natur erblickt er auch als Garten Gottes. Mit seinen Gaben möchte Gott uns ganz bewusst Freude bereiten. Dies ist alles andere als eine romantische Weltflucht; vielmehr geht es dem Liederdichter darum, dass wir, inspiriert und gestärkt von schönen Naturerfahrungen, Gott und der Natur gegenüber dankbar werden und unser Leben verantwortlich gestalten in Achtsamkeit und Liebe. Die vorletzte Liedstrophe beschreibt dies in einem wunderschönen Bild. Es ist zugleich ein Wunsch für Dich und mich – und ein Gebet.

Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum
und laß mich Wurzel treiben.
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum 
und Pflanze möge bleiben,
und Pflanze möge bleiben. 

Ihr/Euer
Achim Dreessen