#Luft nach oben
Auf einer Skala zwischen 1 und 10: Was ist heute für ein Tag? – wobei 1 für den Horror-Katastrophentag steht und 10 für den absoluten Glückstag. Die meisten sagen dann: Na, so 4. Die Optimistischen sagen: 6 einhalb. Die Pessimistischen sagen: Nicht mehr als 3. So sind wir Menschen. Selten überglücklich, selten am Boden zerstört. Wie gut, dass immer noch Luft nach oben ist. Auf einer Skala zwischen 1 und 10.
Luft nach oben – das heißt: Das kann man noch besser machen, das kann noch besser werden, vielleicht sogar: das kann nur noch besser werden.
In diesem November ist viel Luft nach oben, finde ich. Keine gute Zeit. Auf der November-Skala zwischen 1 und 10 bekommt der November 2020 von uns wohl allgemein höchstens eine 1 ½-2. Allerdings weiß ich: Wenn ich persönlich oder im nahen Umfeld mit einer schweren Erkrankung umgehen müsste oder Trauer mein Leben durcheinander bringen würde, dann wäre es wohl noch viel schlimmer. Aber Pandemie-Zeiten sind auch schon nicht schön. Und dann noch im November.
Es ist ein bisschen wie an diesen Tagen, wo sich die Wolken vor uns auftürmen und wir von weitem sehen, dass es sich dahinten schon abregnet. Da ist viel Luft nach oben.
Aber hinter den Wolken scheint ja die Sonne. Kann mich das trösten?
„Eben sah man das Licht nicht, das hinter den Wolken hell leuchtet; als aber der Wind daher fuhr, da wurde es klar“ hört Hiob von einem Freund als Trost nach den vielen Hiobsbotschaften. (Hiob 37, 21)
Hinter den Wolken ist Licht. Aber das Licht sehen wir nicht, die Hoffnung nicht.
Wir erleben diese Zeit, wo die Pandemie neu aufkommt, vielleicht als so eine Zeit. Fühlen mit denen, die gerade vor den Scherben ihrer Existenz stehen. Fühlen mit denen, die schwer erkranken und nicht nur rausgerissen werden aus der täglichen Routine wie ich selbst, sondern auch aus dem Gesundsein, Krafthaben – aus allem, was sie schaffen können und müssen. Haben selbst Angst um unsere Lieben, um unsere eigene Gesundheit.
So viele Sorgen gehen im Augenblick über unser Land – wie große schwere Wolken. Ist dahinter die Sonne? Ist da Luft nach oben? Luft zum Atmen, zum Hoffen, zum Zuversichtlichsein?
Und plötzlich ist da der Regenbogen. Das Hoffnungszeichen aus Sonnenlicht und Regentropfen. Er lässt uns aufblicken. Und manchen von uns schickt er ein Lächeln ins Gesicht.
Der Regenbogen erzählt davon, dass man manchmal das Helle, das Schöne, das Licht nicht sehen kann. Dunkle Zeiten, Tage, die auf unserer persönlichen Skala höchstens eine 1 ½ bekämen, schieben sich in den Vordergrund und wir fragen uns, wie es weitergehen soll.
Schwierig ist, wenn das Licht uns nicht erreichen kann.
Der Regenbogen steht dafür, dass wir Hoffnung haben, dass das Licht neu kommt, steht dafür, dass Gott uns nicht vergisst, dass unsere Gebete zu ihm nach oben gehen – denn bei ihm ist viel Luft nach oben. Er kann aus den Katastrophentagen, geborgene Tage machen. An ihn können wir uns wenden, was auch immer geschieht. „Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.“, heißt es in einem Lied. Gerade jetzt in dieser Pandemiezeit wollen wir uns das zum Trost werden lassen. Wir sind weiter auf dem Weg in das gelobte Land. Denn in unserem Leben gibt Gott uns Luft nach oben.
Gott behüte Sie in diesen Novembertagen
Ihre Pfarrerin Claudia Bitter
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist,
weil Leben heißt sich regen, weil Leben wandern heißt.
Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,
sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!
Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid.
Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,
der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!
Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.
Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.(Klaus Peter Hertzsch – Evangelisches Gesangbuch 395)