Das Wort zur Wochenmitte

Neulich in der Rhön. Meine Frau und ich machen eine kombinierte Rad- und Wandertour auf den Berg Milseburg. Nach einer gemütlichen Radtour durch die Felder lassen wir die Räder stehen. Mühsam ist der Weg, der vor uns liegt. Im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein. Und steil noch dazu. Wir müssen unsere Kräfte sammeln, um oben anzukommen. Nach einem mühsamen Aufstieg haben wir sie erreicht, die Gangolfskapelle. Eine Wallfahrtskapelle.

Die Kapelle ist geöffnet. Ein Stahlgitter lässt uns hineinschauen, erlaubt uns aber nicht hineinzugehen. Wir blicken auf einen segnenden Christus. An jedem ersten Septembersonntag wird hier unter freiem Himmel ein Gottesdienst gefeiert. 

Ich frage mich, warum hier oben, nur mühsam erreichbar, eine Wallfahrtskapelle gebaut wurde? Wegen des wechselhaften Weges, der an das eigene Leben erinnert? Mit angenehmen Zeiten auf der einen Seite und kräfteraubenden Phasen auf der anderen Seite? Vielleicht. 

Wir klettern weiter. Wir setzen uns auf die oberhalb der Kapelle gelegenen Felsen und genießen die Aussicht. Nein, wir genießen nicht nur. Wir staunen. 

Wir sind bewegt angesichts der Weite. Wir können über Grenzen schauen. Über die ehemalige Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland. Über die unsichtbaren Grenzen zwischen den Bundesländern Thüringen, Hessen und Bayern. Still sitze ich auf dem Felsen und denke nach. „Ja, manchmal brauchen wir Weitsicht. Bei persönlichen Entscheidungen. In der Politik vor Ort, im Land und auf Bundesebene. Bei beruflichen Veränderungen. In der Gemeinde“. Ich denke an die Strukturveränderungen, die in unserer Gemeinde in Schwerte anstehen. „Ja, wir brauchen Weitsicht, wenn es darum geht zu überlegen, wie wir Gemeinde bauen können, wenn mit der Pensionierung von Pfarrer Klaus Johanning noch eine Pfarrstelle wegfällt. Wir brauchen Weitsicht, damit wir angemessen auf die anstehenden Veränderungen reagieren können.“

Weitsicht. Ist das der Grund, warum hier oben die Wallfahrtskapelle gebaut wurde? Für mich ist das so in dem Moment auf dem Felsen. Nach einem mühsamen Aufstieg schenkt Gott mir Weitsicht. Ich darf Grenzen überwinden. Ich darf mich segnen lassen für den Weg in die Weite. 

Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum

Psalm 31

Gott, schenke mir Weitsicht für die vielen kleinen und großen Entscheidungen meines Lebens. 

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Hartmut Görler