Das Wort zur Wochenmitte

Mittwoch, 22. Juli 2020

#Reifezeit

Noch sind die Äpfel grün, noch sind Sie nicht reif, noch brauchen sie Zeit, Reifezeit. An einigen Zweigen wachsen sie so dicht, dass der Baum wohl noch ein paar abwerfen muss, damit wenigstens einige reifen können. Ein bisschen freue ich mich schon auf die erste Geschmacksprobe. Aber bis sie reif sind, muss ich warten.

 

 

 

 

Die Blüte im Frühjahr war schön und hat Hoffnung gemacht.  – Sie kam in diesem Jahr erst nach den letzten Nachtfrösten. Kein Frost hat sie zerstört. Da habe ich zum ersten Mal gedacht: Das könnte was werden. Der Apfelbaum könnte doch diesmal Äpfel tragen, nicht nur Blüten. Ich weiß gar nicht, wie die schmecken, die von dem Baum im Pfarrgarten hinterm Haus, der schon so alt und gebrechlich wirkt.

 

 

 

 

Dann habe ich im Frühsommer gesehen, wie aus der Blüte kleine Äpfel gewachsen sind. In diesem Jahr haben sie mehr Regen bekommen als in den letzten beiden Jahren. Sie konnten größer werden. Ob das Grund zur Hoffnung ist?

Und jetzt ist Sommer.  Ein paar Äpfel zeigen schon eine erste Röte, aber reif sind sie noch nicht. Wenn ich die Äpfel kosten will, brauche ich noch etwas Geduld.

 

 

 

#Reifezeit #Warten Warten bis die Zeit reif ist.

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Ich merke, dass wir das in diesem Jahr nicht nur bei der Apfelernte lernen müssen, neu lernen müssen. Wann ist die Zeit reif? Die Zeit zum Wieder Rausgehen, zum Menschen im Altenheim Besuchen, zum Miteinander Gottesdienst Halten, zum Miteinander Spaß haben und Feiern, zum Heiraten, zum Kinder Taufen, zum ganz normalen Unterricht in der Schule, zum Urlaub Machen, zum Mitfiebern in den Fußballstadien. Wann ist die Zeit reif?

Manche wollen es erzwingen, haben keine Geduld mehr, sind so wie die, die grüne Äpfel esse. Und am Ende wird einem schlecht davon.

Manche warten ab und warten ab und warten ab – und strapazieren die Geduld der anderen, sind so wie die, die Äpfel am Baum verfaulen oder von den Würmern fressen lassen, überreif fallen sie vom Baum. Vielleicht kann man gerade noch Apfelmus draus kochen.

Es ist eine Kunst, den Reifepunkt zu erkennen, die Reifezeit abzuwarten, den Apfel zur rechten Zeit zu pflücken, Entscheidungen zur rechten Zeit zu treffen, Beschränkungen zur richtigen Zeit zu lockern, das Richtige zur rechten Zeit zu tun, Worte zur richtigen Zeit zu sagen.

Als Jesus zu wirken begonnen hat, hat er den Menschen die Zeit angesagt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen“ (Markus 1,15) – Seine Botschaft war: Die Zeit ist reif. Jetzt ist die Zeit zu erkennen, was Gott für die Menschen will. Jetzt ist die Zeit, Nöte zu wenden, Irrwege zu benennen, Hoffnung zu geben, Angst zu nehmen.

Die Zeit ist reif. – Hoffentlich können wir das erkennen, in dieser Zeit, in der unsere ganz normalen Lebenserfahrungen auf den Kopf gestellt wurden und wir neu nach Indizien dafür suchen müssen, ob die Zeit reif ist. Wichtig ist, dass wir das Wohl aller dabei im Blick behalten und versuchen, gerade den Schwächsten in unserer Gesellschaft gerecht zu werden. So können wir in Jesu Sinne sagen: Die Zeit ist reif.

Ihre Pfarrerin Claudia Bitter