Das Wort zum Tag

Es ist schon ein paar Jahre her. Da war ich mit Konfirmandinnen und Konfirmanden auf einem umgebauten Frachtschiff auf dem Ijsselmeer. Jede und jeder hatte seine oder ihre Aufgaben. Der eine setzte die Segeln. Die andere kümmerte sich um die Fender. Ein dritter lichtete den Anker. Eine vierte stand am Steuerrad. Auch um dass Essen mussten wir uns kümmern; einen Smutje gab es nicht. Voller Begeisterung, Vorfreude und Anspannung haben wir damals den Hafen verlassen. Wir wollten raussegeln, um im Watt trockenzufallen. Das war unser Plan. Aber dann kam alles ganz anders. Wir hatten keinen Wind. Absolute Flaute. Nur wenige Seemeilen vom Hafen entfernt, passierte gar nichts. Kein Windhauch. Keine Wellen. Kein Vorankommen. Absolut nichts. Anfangs war diese Erfahrung noch spannend. Aber mit jeder halben Stunde ohne Vorwärtskommen wurde es immer langweiliger. Ein paar Jugendliche schliefen auf Deck. Andere schlichen umher, vom Deck runter in den Speisesaal und wieder zurück. Andere kühlten sich kurz in der Nordsee ab. Zeit, die sich wie Gummi in die Länge zog. Ein nerviges Warten. Leer. Scheinbar sinn- und ziellos. 

Ist es den Jüngern damals auch so ergangen? Die Bibel erzählt nüchtern: Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Da ist keine Bewegung. Kein Austausch. Da ist nichts los. Sie sitzen nur dumm herum. Die Jünger. Eine persönliche Flaute. Ein persönliche Leere. Starre. Stillstand. Es geht nicht voran. 

Zurück zu dem damaligen Segeltörn. Nach quälendem Warten kam er dann doch. Der Wind. Erst als seichter Hauch, der die Fahne ganz oben am Mast in Bewegung setzte. Dann als Wind, der sich in den schlaffen Segeln verfing. Unruhe kam auf. Sollte es jetzt doch noch weitergehen? Dann erklang der Befehl des Kapitäns: Segel setzen! Und nach wenigen Augenblicken setzte sich das Schiff in Bewegung. Erst ganz langsam. Dann immer schneller. Dem Ziel entgegen.

Wie damals in jenem Haus in Jerusalem. Auf einmal war da Wind. Mitten im Haus. Auf einmal war das Dynamik. Auf einmal wurde die lähmende Stille der Jünger unterbrochen. In der Bibel heißt es: Es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Der Wind reißt die müden Jünger mit. Er schickt sie nach draußen. Sie fangen an, von Gott zu reden und werden. Sie werden in wundersamer Weise von den unterschiedlichen Menschen verstanden. 

Wir nennen diesen Tag heute Pfingsten. Gott kommt zu uns Menschen mit seinem Geist. Mit seiner Kraft. Mit seiner Be-Geisterung. Mit seinem Schwung. Mit seiner Lebendigkeit. Gott kommt zu uns Menschen und ist wie Wind in unseren Segeln. Wir dürfen aufbrechen als Einzelpersonen. Wir sollen aufbrechen als Kirche. Wir dürfen und sollen die Müdigkeit, die Starre, den Stillstand hinter uns lassen und aufbrechen. 

Pfingsten. Gott bewegt Menschen. Damals vor 2000 Jahren in Jerusalem. Heute in Schwerte. 

Flaute.
Nichts passiert. 
Kein Hauch.
Kein Wind.
Keine Bewegung.
Wie tot
liegt es auf dem Wasser.
Das Segelboot.
Es treibt umher
im Nichts.
Flaute.
Nichts 
passiert.
Kein Hauch.
Kein Wind.
Keine Bewegung.
Mein Leben 
ist wie tot
und treibt umher 
im Nichts. 
Komm,
komm Heiliger Geist!
Komm wie der Wind
und tobe!
Verfang dich in meinem Segel!
Setz du mich in Bewegung.
Komm,
komm Heiliger Geist
und bring Leben
in mein Leben!

Ihr Hartmut Görler