Vater und Mutter ehren
Bald ist Muttertag und auch Vatertag. Ob sie nur eine Erfindung der Blumenindustrie (Muttertag), bzw. eine Gelegenheit für Männer-Spaziergänge mit Bollerwagen und Alkoholischen Getränken (Vatertag) sind? Ich glaube es nicht.
Ich weiß zwar nicht, ob es einen Tag im Jahr für die Mütter geben muss und ob der Vatertag einfach so unseren christlichen Feiertag Christi Himmelfahrt besetzen darf, aber anregend finde ich diese besonderen Tage trotzdem. Man kann doch mal wieder über das Elterngebot nachdenken, oder? „Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden“, übersetzt Luther.
Mir fällt auf: Wenn ich mit Konfis über die Gebote spreche, finden sie das Elterngebot besonders wichtig. Sie denken dabei nicht mehr ans „Gehorchen“, wie Jugendliche zu meiner Zeit, als wir das Gebot eher suspekt fanden. Sie finden es richtig, Eltern zu respektieren, hängen an ihnen, reden mit ihnen auf Augenhöhe und haben eine partnerschaftliche Beziehung. Es geht für sie um Vertrauen und Vertrautheit, aber auch darum, einander mit den ganzen Macken und Fehlern anzunehmen. Sicher wird diese Beziehung in der Pandemie-Zeit, wenn alle so aufeinander rücken, ganz neu auf die Probe gestellt. Am Mutter- und am Vatertag könnte man mal wieder darüber reden, wie das Miteinander in der Familie funktioniert.
Das Elterngebot regt an, über das Verhältnis zu den eigenen Eltern nachzudenken. Aber es geht dabei auch darum, wie wir als Gesellschaft für die Menschen da sind, die alt werden und deren Leistungskraft schwindet. Wie können wir uns kümmern, wie können wir verlässlich sein, wie können wir ihre Erfahrungs-, ihre Lebensschätze wertschätzen, was können sie uns immer noch weitergeben? Ein gerechtes Miteinander der Generationen ist das Ziel des Elterngebotes. So lese ich es. Auch das könnte Thema am Mutter- und Vatertag sein.
Wenn man in den Zehn Geboten Gottes Angebote für ein Leben in Freiheit sieht, kann man das Elterngebot so formulieren:
Gott sagt: In meiner Nähe können Eltern und Kinder einander annehmen. Du möchtest von Deinen Eltern ernstgenommen werden, also tu du es auch. Und kümmere dich um sie, wenn sie alt werden.
Leicht ist es bestimmt nicht, dem zu entsprechen. Wir wissen um manche verquere Situation, manches krumme Verhältnis von Eltern und Kindern. Dass sich eins der Zehn Gebote damit auseinandersetzt, zeigt ja, dass die Menschheit sich schon immer mit diesem Thema beschäftigt. Gegenseitige Fürsorge, gegenseitiger Respekt, selbstbestimmtes Leben, Pflicht und Schuldigkeit, Verständnis und Gehorsam – so vieles spielt hinein. Es geht ums Loslassen und Festhalten, um Nähe und Distanz. Und um die Frage: Was können wir vor Gott verantworten im Miteinander der Generationen?
Muttertag und Vatertag können uns neu ins Nachdenken bringen über das Verhältnis der Generationen untereinander. Was dient in unserer Zeit in unserer Lage dem gerechten Miteinander der Generationen? Jede Zeit findet neue Antworten auf die Fragen, die das Elterngebot anstoßen will. Da bin ich mir sicher.
Ihre Pfarrerin Claudia Bitter