Gehören Sie zu den Hobby-Gärtnern? Hobby-Gärtnerinnen und -gärtnern? Hobby-Gärtner*innen? Schon bei der Formulierung bleibe ich stecken: Verwende ich das Gendersternchen „*“ ? Oder schreibe ich Gärtnerinnen und Gärtner?
Wie geht es Ihnen mit dieser Frage? Einigen ist das Sternchen ausgesprochen wichtig, denn sie möchten niemanden ausschließen bzw. sich selbst nicht ausgeschlossen fühlen, wo doch inzwischen anerkannt ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Die Abkürzungen LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) bzw. in Deutschland LSBT mit eventuell weiteren Hinzufügungen versuchen dieser Vielfalt gerecht zu werden. Für andere ist das Gendersternchen hingegen ein rotes Tuch.
Warum die ganze Aufregung? Ich vermute, dass hier eine tiefer sitzende Herausforderung hoch kommt: Die Wirklichkeit wird immer komplexer – und oft auch komplizierter. War nicht die Welt und die Sprache einfacher und entspannter, als man noch ohne Gendersternchen „Kindergärtnerinnen“ sagte (ohne kurze Pause vor dem „innen“) und es ohne „*“ schrieb?! Aber selbst mit Sternchen geschrieben würden sich viele Erzieher*innen aufgrund der nicht korrekten Berufsbezeichnung zu Wort melden und auf ihre pädagogische Qualifikation hinweisen.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig Wertschätzung ist, und dass etliche Menschen eine scheinbar harmlos klingende Berufsbezeichnung oder eine nicht inklusive Genderformulierung als Mangel an persönlicher Wertschätzung empfinden.
Dies gilt es ernst zu nehmen. Vorbei sind die Zeiten, als sich Frauen bei einer maskulinen Berufsbezeichnung automatisch mit angesprochen fühlten. Sind wir empfindlicher geworden oder einfach nur reflektierter? Wobei bewusster und genauer Sprachgebrauch das Leben nicht immer einfacher und entspannter macht. Manche Schwierigkeiten liegen an der Sprache selbst. Ob man jemanden Siezen oder Duzen sollte, erfordert mitunter Fingerspitzengefühl. Es ist aber kein Luxus-Problem der deutschen Sprache, sondern wird zu einem echten Problem, wenn jemand meine für ihn oder sie falsche Wahl als fehlende Wertschätzung oder als unpersönliche Distanz empfindet. Im anglophonen Sprachraum ist es mit dem „You“ tatsächlich einfacher.
Wertschätzung hängt allerdings von weit mehr ab als nur einer korrekten Anrede. Dies muss hier ausdrücklich betont werden. Das Beteuern der freundschaftlichen Verbundenheit der beiden Ministerpräsidenten, die momentan um die K-Frage wetteifern, ist bloße Floskel, wenn Wertschätzung nicht auch gelebt wird. Dezente, unschuldig scheinende oder humoristische Bemerkungen sprechen mitunter eine andere Sprache.
Aber zurück zu den Gendersternchen: Ich weiß keine Antwort. Unsere Gesellschaft lässt sich keine Richtung verordnen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als auch hier in einen gesellschaftlichen Diskurs zu gehen. Aber bitte wertschätzend und mit Augenmaß; ein Diskurs um der Menschen willen, ohne Prinzipienreiterei und ohne Arroganz.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Lukas 6, 36
Die Jahreslosung gilt auch hier. Und ich bin überzeugt: Wenn sich Menschen im Alltag, im Beruf, in der Familie und im Freundeskreis, in der Gemeinde und in Parteien und Vereinen wertschätzend verhalten und sich selbst wertgeschätzt erleben, wird genügend Vertrauen da sein, um eine nicht völlig korrekte Bezeichnung (speziell immer dort, wo dies schwer möglich ist) nicht überzubewerten.
Ich wünsche Ihnen und uns allen ein gutes Miteinander.
Ihr/Euer Achim Dreessen
PS: Sollte ich Hobby-Gärtner*innen enttäuscht haben, weil ich nicht über ihre eigentlichen Themen sprach, bitte ich um Nachsicht. Meine ursprünglich angedachte Andacht über Saatgut und Samen werde ich nachholen.