Das Wort zum Tag

Rolle rückwärts für die „Osterruhe“

Gehören auch Sie zu denen, die darüber rätselten, was konkret die „Erweiterten Ruhetage“ um Ostern bedeutet hätten, zu denen Anfang der Woche der Gründonnerstag und Karsamstag erklärt wurden, so dass es zu einer fünftägigen „Osterruhe“ gekommen wäre?  Die Konsequenzen wären weitreichend gewesen, doch wie mir scheint waren es rechtliche Gründe, die gestern zum Zurückrudern der Politik führten. 

Ich möchte Sie trotz der überraschenden Wende einladen, mit mir ein wenig über den Begriff der „Ruhe“ nachzudenken. Ruhe finden, zur Ruhe kommen, ausruhen, in sich ruhen…

Gerade in einer unruhigen und lauten Welt sehnen sich Menschen nach Zeiten und Orten der Ruhe. Wo und wie finden wir noch Ruhe, wenn im Hintergrund vorbeifahrende Autos zu hören sind, wenn Radio oder Fernseher permanent laufen, das Handy mit einem Signalton eine gerade eingehende Nachricht kundtut und wenn unser Alltag (zumindest bis vor der Pandemie) streng durchgetaktet (gewesen) ist?

RUHE: Für mich war es ein beeindruckendes Erleben von Ruhe, als ich mit meiner Familie auf der Makgadikgadi-Salzpfanne im Nordosten Botswanas stand und wir dort absolut nichts hörten. 

Wohltuende Ruhe finde ich aber auch an Orten, die nicht vollkommen still sind: beim Wandern etwa, in einem Gottesdienst, zu Hause im Garten, beim Radfahren…

Wo empfinden Sie eine wohltuende Ruhe, und was hilft Ihnen zur Ruhe zu kommen? 

Vom Kirchenvater Augustin stammt der Satz: 

„Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet, Herr, in dir!“

Aber zurück zu Ostern als einer uns von der Politik empfohlenen Ruhezeit: Epidemiologisch sind fünf Ruhetage, wenn sie so gehalten werden, dass auch die Kontakte ruhen, absolut wertvoll. Wenn sich 80 Millionen Menschen auf dieses ungewöhnliche Experiment der kollektiven Ruhe einlassen würden, könnten es Tage des Lebens werden, weil der Verlauf der dritten Welle abgeschwächt und es Tausenden das Leben retten würde.

Aber auch ich bin zwiegespalten gewesen. In der christlichen Tradition wird die Karwoche als Stille Woche bezeichnet. Mir tut es gut, im Blick auf Jesus und seinen Weg ans Kreuz speziell in der Karwoche Zeiten der Ruhe zu haben. Aber Ostern selbst? Es fällt mir schwer, mir Ostern ohne gemeinsames Halleluja vorzustellen und ohne fröhlich zu feiern, dass Gott die schwere Ruhe des Todes überwunden hat. Es fällt mir schwer, dass ich über Ostern nicht unbeschwert mit der Familie oder mit Freunden zusammen sein kann. Gemeinschaft ist für mich ein wichtiges Zeichen für das österliche Geschenk des Lebens. Von daher hätte ich mir eher eine „Karwochen-Ruhe“ gewünscht, um anschließend Osterfreude gemeinsam mit anderen erleben zu dürfen. 

Nun gab es die Rolle rückwärts für die Osterruhe – doch die Frage bleibt: Wie gestalten wir für uns die kommende Woche und das Osterfest

Nun liegt es wieder an uns Ruhe, aber auch Freude zu finden.

Und es liegt weiter an uns, der dritten Welle Ruhe zu gebieten und Zuversicht zu schöpfen.

Es liegt an uns, die wir alle im selben Boot sitzen. Doch ist nicht hinten im Boot noch jemand mit uns unterwegs, einer, der den hohen Wellen und sogar dem Tod schon die Stirn geboten hat?! 

Ich wünsche Ihnen Ruhe, Zuversicht und Freude. Bleiben Sie behütet!

Ihr/Euer Achim Dreessen