Das Wort zum Tag

„Ich hab die ersten Veilchen gesehen“, hat mir neulich eine Bekannte per Whatsapp geschrieben. Das Veilchen. Ein unscheinbarer Frühblüher. Klein. Oft zwischen den Steinen. In irgendwelchen Ritzen zwischen den Wegplatten. Manchmal sogar in der Straßenrinne. Leicht zu übersehen. Wer nicht genau hinschaut, sieht sie nicht, die Veilchen. Und wie schnell treten wir unachtsam auf die violetten Blumen. Und doch sind die Blüten ein Kunstwerk, ein Farbenrausch. Sie üben eine besondere Faszination auf uns auf. Sie künden den Frühling an, stehen für neues Leben nach dem Winter. Sie stillen den Hunger der ersten Hummeln und bieten Nahrung für die Bienen auf ihrem Erkundungsflug nach der letzten Frostnacht.

Für mich erzählen sie von Gott. Gott liebt das Kleine, das Verborgene, das Unscheinbare,  Unbedeutende. Jesus hat das Reich Gottes einmal mit dem winzig kleinen Senfkorn verglichen. Er hätte es auch mit einem Veilchen vergleichen können. Denn Gottes große Werke erscheinen so manches mal im Klitzekleinen. Da wird ein Kind geboren. In einem Stall. Die Weisen aus dem Morgenland wären fast vorbei gegangen, so unscheinbar war der Moment, wenn da nicht der Stern gewesen wäre. Ein Veilchen für die Menschheit. Da stirbt ein Mann am Kreuz. Wie ein Halunke. Wie ein Mann, für den sich keiner interessiert. Ein Veilchen für die Menschheit. 

Und in meinem Leben? In meinem Alltag? Oft nur kleine, feine Fäden, an denen ich mich festhalten kann. Veilchenblüten.

Gott spannt leise feine Fäden, die Du leicht ergreifen kannst

Sieh doch einen Anfang, wo du wirklich helfen kannst
und durch deine Hilfe dir den Weg zum andern bahnst.
Sieh doch einen Anfang und fang zu helfen an.

Gott spannt leise feine Fäden, die Du leicht ergreifen kannst

Sieh doch einen Anfang, wo es zu vertrauen gilt,
auch wenn die Erfahrung dir das Gegenteil befiehlt.
Sieh doch einen Anfang und fang zu vertrauen an.

Gott spannt leise feine Fäden, die Du leicht ergreifen kannst

Sieh doch einen Anfang, wo du zu teilen vermagst
und trotz deiner Ängste von dir zu geben wagst.
Mach doch einen Anfang und fang zu teilen an.

Gott spannt leise feine Fäden, die Du leicht ergreifen kannst

Sieh doch einen Anfang, wo du nicht mehr weiter weißt
und du deine Sehnsucht hinaus in die Stille schreist.
Sieh doch einen Anfang und fang zu beten an.

Gott, öffne mir die Augen, damit ich die kleinen Veilchen entdecke, die du auf meinen Weg gepflanzt hast. 

Viele liebe Grüße

Ihr Pfarrer Hartmut Görler