Das Wort zum Tag

Ich war schon da. Und Sie so?
Ich hatte schon einen. Sie auch?
Einen Termin beim Frisör.
Endlich.
Seit November konnten meine Haare nach Lust und Laune wachsen. 
Zuletzt konnte man schon nicht mehr meine Augenfarbe erkennen.
Mein Frisörtermin war eher ein Hecken- als ein Haarschnitt. 
Aber jetzt ist es geschafft.
Ich fühle mich wie neu geboren.
Haare ab. Vergangenheit ab. 
Denn was haben diese Haare nicht alles erlebt?
Ein Weihnachten ohne meine Lieben.
Ein stilles Silvester.
Bitter kalte Wintertage. 
Richtig viel Schnee.
Mein Freund ist gestorben, 
während meine Haare immer länger wurden.
Krankheit. 
Enttäuschung. 
Ungeduld.
Die Freude über einen Anruf.
Über den Impftermin.
Viele Haare auf dem Kopf. 
Viele unterschiedliche Erfahrungen 
zwischen den Frisörterminen.

Wussten Sie eigentlich, dass Gott seine Freude an unseren Haaren hat?
Er zählt sie sogar. 
Ja, Gott zählt jedes einzelne Haar.
Im Lukasevangelium heißt es: 

Auch sind die Haare auf eurem Haupt alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid kostbarer als viele Sperlinge. 

Lukas 12, 7

Kurz vor meinem Frisörtermin hatte Gott aber einiges zu tun.

Man geht davon aus, dass 200 bis 300 Haare auf jedem Quadratzentimeter Kopfhaut wachsen. Zählen Sie mal nach. Wenn Sie 100.000 Haare auf Ihrem Kopf gefunden haben, dürfen Sie sich entspannt zurücklehnen. Ein Haarproblem haben Sie jedenfalls nicht. Ich hatte gefühlt 1 Millionen Haare auf dem Kopf, vor meinem Friösrtermin.

Und jedes Haar hat Gott gezählt.
Gemeint ist wohl eher, dass Gott jede noch so unterschiedliche Erfahrung zwischen den Frisörterminen gezählt hat. 
Alles hat er mitbekommen. Jede Gefühlsregung. Jeden Schmerz. Jede Freude. Nichts blieb ihm verborgen.

Aber auch hier geht es nicht darum, dass Gott alles weiß. 
Davon hab ich nichts. 
Aber dass er jedes Haar und jeden Augenblick in seinen Händen hält, dass er zu mir hält und mir hilft, das ist doch das Tröstliche. 

Ich erinnere mich an meine Konfirmandenzeit.
Anders als die meisten musste ich die Fragen des Heidelberger Katechismus auswendig lernen.

„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“
Dass ich mit Leib und Seele 
im Leben und im Sterben nicht mir, 
sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre…
und er bewahrt mich so, 
dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel 
kein Haar von meinem Haupt kann fallen, 
ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss.

Da bin ich ja noch mal froh, dass es Gottes Wille war, dass meine Haare beim Frisör fallen konnten. Aber dass mir alles zu meiner Seligkeit dient, das finde ich noch mal besser: das Weihnachten ohne meine Lieben, das stille Silvester, die kalten Wintertage, die Erfahrungen von Leid und Freude. Alles kann und soll mir zum Guten dienen. 

Na dann, viel Freude beim Frisör. Herzliche Grüße

Ihr Hartmut Görler