Was für ein Wintereinbruch! Erst sah es noch ganz harmlos aus: ein paar Schneeflocken, wie schön! Dann prasselt in der Nacht der Eisregen herunter. Die Straßen sind von jetzt auf gleich spiegelglatt. Eine zentimeterdicke Eisschicht umhüllt unser Auto. Nur mit viel Mühen gelingt es uns, zumindest eine Tür zu öffnen. Dazu der Schnee. Es will gar nicht mehr aufhören zu schneien. Die meisten Straßen sind noch gar nicht geräumt, und auch auf den Hauptstraßen sind nur Spuren geschoben. Nur mühsam kommt der Verkehr voran, immer in der Sorge wegzurutschen. Hinter Geisecke steht auf der Straße nach Holzwickede ein LKW quer. Der Verkehr kommt komplett zum Erliegen.
Aber der Wintertag hat auch seine schöne Seiten. Mit Skiern fahren Leute über den Bürgersteig am Alten Dortmunder Weg. In den Gärten entstehen Schneemänner und Schneebuden. Kinder ziehen mit ihren Schlitten und Bobs los. Jeder noch so kleine Hügel wird zum Rutschen genutzt.
Wer diese weiße Pracht nicht genießen kann, wer zur Arbeit fahren muss oder sich nur unter größten Anstrengungen Schritt für Schritt fortbewegen kann, der empfindet diesen Schnee als eine persönliche Anstrengung. Als eine Herausforderung. Als eine Last.
Mir kommt der Psalm 121 in den Sinn.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen. Ich lache über mich selber. Ich habe tatsächlich eisglatte Bürgersteige und rutschige Straßen im Kopf. Aber ich zweifel daran, dass der Psalmbeter von damals solche Winterbilder meint.
Aber vielleicht liegen seine und meine Welt gar nicht so weit auseinander. Denn die Erfahrung, dass der eigene Lebensweg holprig sein kann, mit Hindernissen, mit der Gefahr auszurutschen, das ist eine Erfahrung über alle Zeiten und Kulturkreise hinweg.
Ja, solche Wintereinbrüche wie oben beschrieben, passieren immer wieder mal. Auf einmal stockt das Leben. Auf einmal geht es nicht mehr weiter. Auf einmal besteht Rutschgefahr. Sie wissen schon, was ich meine. Meine bildhafte Sprache klickt bei Ihnen was an. Ihre Geschichten kommen plötzlich zum Klingen, und in Ihre Geschichte hinein fällt Gottes Wort:
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen.
Interessanterweise spricht der Psalm nicht davon, dass Gott alle Wintereinbrüche im eigentlichen und im übertragenen Sinne von uns fern hält. Nein, das hat Gott uns nicht versprechen. Auch mit Gott gibt es glatte Straßen und mühe Lebensphasen.
Aber Gott hakt sich bei uns unter. Er reicht uns seine Hand. Er legt seinen Arm um unsere Schulter, wenn die Bürgersteige und Straßen unseres Lebens schneebedeckt sind, rutschig, zugebaut mit Schneehaufen aus Sorgen und Ängsten. Sehr menschliche Bilder von Gott, das gebe ich zu. Wahrscheinlich ist Gott ganz anders als unsere Bilder. Aber wir brauchen Bilder, damit wir uns an Gott festhalten können.
Wintereinbruch in Schwerte. Wintereinbruch in der Negev, der Wüste von Israel.
Tja, die persönlichen Rutschpartien können unterschiedlich aussehen. Gott aber ist derselbe.
Ihr Hartmut Görler