Das Wort zum Tag

„Da käme er nicht hoch“, so ein Herr, nachdem er sich erstaunt mit seiner Kollegin über die Höhe meines Fahrradsattels unterhalten hatte. 112 cm. Wenn man 1,86 m groß ist (oder war; so steht es zumindest im Ausweis), sollte der Sattel auch entsprechend eingestellt sein.

Auf die richtige Einstellung kommt es an. 

Auch im Leben. 112. Mir fällt dazu (neben der Nummer für die Notrufzentrale) ein russisches Märchen ein, das mich schon als Jugendlicher beeindruckt hat:

Himmel und Hölle 
Ein Rabbi kommt zu Gott: „Herr, ich möchte die Hölle sehen und auch den Himmel.“ – „Nimm Elia als Führer“, spricht der Schöpfer, „er wird dir beides zeigen.“ Der Prophet nimmt den Rabbi bei der Hand.

Er führt ihn in einen großen Raum. Ringsum Menschen mit langen Löffeln (ca.112 cm). In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf Aber die Menschen sehen mager aus, blass, elend. Kein Wunder: Ihre Löffel sind zu lang. Sie können sie nicht zum Munde führen. Das herrliche Essen ist nicht zu genießen. Die beiden gehen hinaus: „Welch seltsamer Raum war das?“ fragt der Rabbi den Propheten. „Die Hölle“, lautet die Antwort.

Sie betreten einen zweiten Raum. Alles genau wie im ersten. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf. Aber – ein Unterschied zu dem ersten Raum: Diese Menschen sehen gesund aus, gut genährt, glücklich. „Wie kommt das?“ Der Rabbi schaut genau hin. Da sieht er den Grund: Diese Menschen schieben sich die Löffel gegenseitig in den Mund. Sie geben einander zu essen. Da weiß der Rabbi, wo er ist.

Auf die richtige Einstellung kommt es an. Auch in diesen Tagen, wenn sich vieles um das Thema Impfen dreht. Engpässe bei der ausreichenden Beschaffung von Impfstoffen, Probleme bei der Terminvergabe, Unsicherheit bei einem Impfstoff hinsichtlich der Wirksamkeit für Senior*innen… 

Derzeit gibt es einen Wettlauf um die Impfung, international und national. Die Nerven liegen blank. Fast jede/r möchte sie bekommen, möchte sich vor Covid 19 schützen. Ellenbogen werden ausgefahren, die eigene Dringlichkeit betont. Manche ziehen sich frustriert aus dem Rennen zurück. Jede/r denkt nur an sich. 

Auf die richtige Einstellung kommt es an: Wie wäre es, Ruhe zu bewahren und gemeinsam nach einer für alle möglichst gerechten Lösung zu schauen – und diese dann auch zu akzeptieren, ohne Neid! Dann geht es am Ende für alle schneller.

Ein abschließender Gedanke: Menschen streiten sich bei uns um Tage, vielleicht auch um Wochen.

In weiten Teilen der Erde sieht es ganz anders aus. (Nicht nur) Südafrika etwa ist durch einen mutierten Virus derzeit massiv von der Pandemie betroffen. Da Südafrika mit das reichste afrikanische Land ist, hat es jetzt eine Million Impfdosen erhalten. Eine trügerische Zahl, denn es langt bei weitem nicht – und wurde zudem teuer bezahlt. Die meisten afrikanischen Länder können sich dies nicht leisten. Wann sie an der Reihe sein werden? Vielleicht erst 2022… . Entsprechend groß ist dort die Enttäuschung über Europa und den reichen Norden, wo aller nur an sich denken.

Auf die richtige Einstellung kommt es an – damit ALLE leben können.

Ihr und Euer Achim Dreessen

Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

aus der Rede Jesu vom Weltgericht (Matthäus 25):