Das Wort zum Tag

Gedanken zur Jahreslosung

#BarmherzigSein

O.K. Vielleicht ist Barmherzigkeit ein uraltes Wort und eine uralte Tugend. Aber sie ist immer noch eine Lebenshaltung, die ein Miteinander formen sollte, finde ich. Denn so manches macht die Barmherzigkeit erst möglich:

  • Das Wunder, dass hinter der rauen Schale ein weicher Kern zu finden ist – wer kann das entdecken, wenn nur der erste Eindruck zählt?
  • Das Staunen darüber, dass ich mich doch verlassen kann, obwohl ich eigentlich gar nichts mehr vom anderen erwarte – wie soll ich das erleben, wenn ich keine zweite Chance gebe? 
  • Das warme Gefühl, wenn die Vertrautheit wächst – woher soll das kommen, wenn ich zurückscheue vor dem Fremden, vor dem Anderssein? 
  • Die verwunderte Freude, dass sich Geduld im Miteinander lohnt – was wäre gewesen, wenn ich sofort aufgegeben hätte?
  • Das Wiedererkennen der eigenen Gedanken im Gespr    äch mit dem anderen – wie kann das entstehen, wenn ich gar nicht erzähle und zuhöre und so ins Gespräch komme? 

Das alles und noch viel mehr wäre ohne Barmherzigkeit nicht möglich. Ich weiß immer noch kein anderes, treffendes Wort für diese Bereitschaft, mich zuzuwenden, obwohl… 

… der andere Fehler hat.
… ich enttäuscht werden könnte.
… ich schon lange nicht mehr an das Gute im Menschen glaube.
… Undank der Welten Lohn ist.
… ich sooft schon angerufen habe, und sie ruft nie zurück.

Und viel öfter noch bin ich auf die Barmherzigkeit der anderen angewiesen, weil…

… ich meine Fehler habe.
… ich andere enttäusche.
… ich weiß, wo meine Schattenseiten sind.
… ich meine Dankbarkeit nicht immer zeigen kann.
… ich schon so oft nicht zurückgerufen habe.

Jesus sagt: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. 

Lukas 6,36

Barmherzigkeit ist Gottes Plan für unser Miteinander. So verstehe ich Jesus. Barmherzigkeit öffnet Gespräche, Gedanken, Gefühle. Nur so kann Verbundenheit entstehen und Vertrauen, ein Netzwerk, in dem ich Halt finde und Halt gebe. In der Barmherzigkeit steckt die Warmherzigkeit, die Weitherzigkeit, die Großherzigkeit und noch vieles mehr, was Herzen miteinander verbindet. 

Im Übrigen glaube ich, dass wir viel Barmherzigkeit brauchen werden, wenn wir diese Zeit der Distanz und Kontaktbeschränkungen überwinden und wieder aufeinander zugehen wollen. Lasst uns also Barmherzigkeit üben. Immer wieder und immer mehr.

Ihre Claudia Bitter