Das Wort zum Tag

Trübe und schwer

Ich blicke aus dem Fenster. Das Dunkel der Nacht hat sich gelichtet, aber auch heute ist es wieder grau und trübe. Sonnenschein wäre viel schöner. Vitamin D für meine Seele. Doch es ist trübe und schwer. Wieder einmal. Ich höre mich leise summen, ein Lied, das ich Ende der 70er in Steinhagen im Jugendchor gesungen habe. Meine Gedanken suchen kurz nach dem Text, meine Finger tippen Worte aufs Blatt. Erstaunlich, an was man sich noch alles auch 40 Jahre später erinnert. 

Die Liedstrophe steht. 

Trübe und schwer zieh’n die Wolken dahin, der Asphalt
scheint so schwarz, und die grauen Nebel zieh’n.
Ich singe laut von der Sonne des Herrn,
die trotz Wolken mir scheint, die trotz Nebel mir nicht fern.

Ich schreibe weiter, denn auch der Refrain strömt aus meiner Erinnerung in die Gegenwart:

Herr, ich lobe dich, denn du erwärmst auch mich.
Dein Licht ist für mich da. Halleluja.

Ich überlege kurz, wie der Titel des Liedes heißt, kürze aber das Suchen ab, indem ich das Geschriebene in die Suchmaschine eingebe. Sofort spuckt sie mir das komplette Lied aus. Peter Strauch hat es 1975 verfasst. Nicht nur die zweite, sondern auch die dritte Strophe spricht mir aus der Seele.

Ob ich Gott fühle und spür‘ seine Kraft oder fehlt mir der Mut,
und die Kraft in mir erschlafft: Gott ist bei mir,
auch wenn ich ihn nicht seh‘, wenn die Freude
mir fehlt, ich durch Dunkelheiten geh‘.

Das Lied versöhnt mich mit dem Nicht-Wetter draußen und dem Nicht-Wetter in mir. Der Text des Liedes und mein Erinnern daran, wieviel Energie und Zuversicht mir damals das gemeinsame Singen des Liedes im Chor gespendet hat. Die Freude am vierstimmigen Gesang, an der schönen Gemeinschaft im Bass und im gesamten Chor. Die Freuden und Nöte, die wir miteinander geteilt haben. Schon damals war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Unfall, Liebeskummer, schwere Krankheit, ja sogar Tod gab es zu beklagen. Trübe und schwer zieh‘n die Wolken dahin. Die Ehrlichkeit des Liedes hat mich schon damals angesprochen. Und die Macht des Singens, wie das laute Singen gegen Unsicherheit und Angst. 

Mein Blick fällt noch einmal auf das Lied von Peter Strauch. Es ist nicht einfach das Singen. Es ist das Singen von Hoffnung und Zuversicht: Ich singe laut von der Sonne des Herrn, die trotz Wolken mir scheint, die trotz Nebel mir nicht fern. Und es ist das Erinnern an Bewahrung und an erlebtes Glück. Damit fängt das Lied übrigens auch an.

Hell strahlt die Sonne, der Tag ist erwacht, und die Vögel,
sie singen so fröhlich nach der Nacht.
Licht leuchtet auf und durchflutet die Welt,
die Natur spiegelt Glanz, und das Dunkel ist erhellt.

Ich wünsche auch Ihnen ein Lied auf den Lippen – und dass es Ihnen gut tut.

Ihr und Euer Achim Dreessen